Gutachten_Klimaneutralitätbis2045

Klimaneutrales Deutschland erst 2050? Das geht schneller!

Veröffentlicht von

Ein aktuelles Gutachten der Organisationen Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende kommt zu dem Schluss, dass Deutschland schon im Jahr 2045 die erst für 2050 angestrebte Klimaneutralität erreichen könnte. Zugleich zeigt das Gutachten “Klimaneutrales Deutschland 2045” auf, wo Deutschland beim Klimaschutztempo einen Zahn zulegen müsste … oder zwei … oder drei. Alles Wichtige zum Gutachten haben wir hier für euch zusammengefasst.

Fünf Jahre früher klimaneutral – das macht einen Unterschied. Der lässt sich laut dem Gutachten “Klimaneutrales Deutschland 2045” der eingangs genannten Organisationen, das ihr euch hier in einer Zusammenfassung downloaden könnt,  sogar beziffern: mit knapp einer Milliarde Tonnen an Kohlendioxid-Emissionen (CO2-Emissionen), berichtet die Tagesschau online. Das wären dem Nachrichtenmagazin zufolge, verglichen mit dem jetzigen Ziel: Klimaneutralität bis 2050, immerhin 15 Prozent weniger!

Gutachten_Klimaneutralitätbis2045_Ergebnisse

Klimaneutralität bis 2045 – das ist zu tun!

Um fünf Jahre eher das Ziel Klimaneutralität zu erreichen, müsste Deutschland den der Fachleute zufolge seinen Klimaschutz beschleunigen. Dazu wiederum müssten

  • die Energieeffizienz gesteigert,
  • der Ausbau Erneuerbarer Energien erhöht,
  • die Elektrifizierung verstärkt
  • und die Bereitstellung  von Wasserstoff verbessert

werden. Damit Deutschland bereits 2045 treibhausgasneutral werde, sei es laut Szenario konkret notwendig, dass Deutschland bis zum Jahr 2030 aus der Kohleverstromung aussteige – bisher ist das Ziel dafür mit spätestens 2038 festgelegt.

Das 32-seitige Gutachten “Klimaneutrales Deutschland 2045” benennt drei Hebel, um den deutschen Klimaschutz zu beschleunigen:

  1.  Energieeffizienz und Senkung des Energiebedarfs
  2. Erneuerbare Stromerzeugung und Elektrifizierung
  3. Wasserstoff als Energieträger und Rohstoff

Für die Windkraft sowie die Photovoltaik halten die Autoren des Gutachtens deutlich höhere Ausbaumengen für erforderlich. Wasserstoff solle demnach zunehmend an Bedeutung gewinnen und nach 2040 Erdgas als wichtigsten Energieträger für die regelbare Stromerzeugung ablösen – in Zeiten, wo weder ausreichend Sonnen- noch Windenergie zur Verfügung stehe. Auch die Ausstattung von Gebäuden mit Umweltwärmeheizungen (Wärmepumpenheizungen) müsse stärker angegangen werden. Nach Ansicht der Experten könnte man zum Beispiel Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland bis 2045 komplett mit Wärmepumpen versorgen.

Darüberhinaus müsste den Autoren zufolge im Verkehrsbereich die Elektrifizierung deutlich schneller vorangetrieben werden. Bereits ab dem Jahr 2032 sollten demnach keine Pkw mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Im Jahr 2030 sollten bereits 14 Millionen Elektro-Pkw auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Bis zum Jahr 2045 müssten im Pkw-Bestand nahezu alle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch E-Autos ersetzt werden. Güter sollten verstärkt auf der Schiene transportiert werden. Die persönliche Mobilität werde sich verändern, heißt es im Gutachten: “Die Menschen fahren deutlich mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Rad, und sie gehen mehr zu Fuß.”

Das Gutachten geht zudem davon aus, dass sich der Trend einer steigenden Nachfrage nach pflanzlichen und synthetischen Ersatzprodukten für Fleisch und Milch fortsetze. Geringere Tierbestände sollen bei der Klimaneutralität der Landwirtschaft helfen.

Wanted: Politik, die beschleunigen

“Klimaneutralität ist ein Rennen gegen die Zeit”, sagte der Direktor der Stiftung Klimaneutralität, Rainer Baake. Er verwies auf den “einschneidenden Kurswechsel in den Vereinigten Staaten” unter Präsident Joe Biden und betonte, dass auch Deutschland beim Klimaschutz schneller werden könne. “Was wir jetzt brauchen”, erklärte Rainer Baake weiter, “ist der politische Wille, das auch umzusetzen.”

Wanted: Neues Verständnis von Mobilität

Der Direktor von Agora Verkehrswende, Christian Hochfeld, räumte zudem ein, dass insbesondere die Verkehrswende “eine große Herausforderung” sei, “wenn der dafür nötige Strukturwandel ökonomisch und sozial gelingen soll”. Der technologische Wandel müsse ihm zufolge mit einem Wandel im “Mobilitätsverständnis” einhergehen: Nämlich hin zu weniger privaten Pkw und mehr öffentlichen und geteilten Verkehrsmitteln.

Wanted: Mehr Investitionen, weniger Bürokratie

Um Deutschlands Klimaschutz zu beschleunigen, müsse auch mehr investiert werden. Das sagt Patrick Graichen, Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende. Das Problem sei, dass Genehmigungsverfahren von beispielsweise Windkraftanlagen zu lange dauerten – das müsse in Zukunft schneller gehen.

Konkrete Vorschläge zu klimapolitischen Maßnahmen wollen die Klimaorganisationen in den kommenden Wochen unterbreiten.

Über das Gutachten “Klimaneutrales Deutschland 2045”

Für das Gutachten seien nach Aussage der eingangs genannten Auftraggeber Szenarien dafür entwickelt worden, wie Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden könne – mit

  • Wirtschaftlichkeit,
  • Wahrung der Investitionszyklen
  • und Akzeptanz als Kernkriterien.
Die untersuchten Szenarien zeigen, dass dies möglich sei, wenn heute schon verfügbare oder bereits weit entwickelte Technologien konsequent zum Einsatz kämen.
  • Denn Klimaneutralität erfordere den Aufbau eines komplett auf erneuerbaren Energien basierenden Stromsystems.
  • Straßenverkehr und Wärmeversorgung würden weitgehend auf strombasierte Lösungen umsteigen, heißt es im Gutachten.
  • Die effiziente Sanierung des Gebäudebestands und der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft für Industrie, Energiewirtschaft, Schiffs- und Flugverkehr seien außerdem unerlässlich.

Im Ergebnis werde Deutschland 2045 eine erneuerte Strom- und Verkehrsinfrastruktur besitzen, eine zukunftsfähige Wasserstoffindustrie, einen modernen Gebäudebestand und eine Industrie, die in den Zukunftstechnologien im globalen Wettbewerb vorne mitspiele. Richtig angegangen, werde der Weg in die Klimaneutralität zu einem umfassenden Investitions- und Modernisierungsprogramm.

Unsere Anmerkung zum Gutachten “Klimaneutrales Deutschland 2045”

Ganz klar, je eher Deutschland klimaneutral wird, desto besser. Und die von den Gutachtern geforderten Maßnahmen, um den Klimaschutz hierzulande zu beschleunigen sind sicher berechtigt. Schade am Gutachten ist nur, dass eine so klimaeutrale Technologie wie die Solarthermie keinen Eingang in die untersuchten Szenarien findet, weder als erneuerbare Energie noch als klimaneutralste Technologie zur Wärmeerzeugung überhaupt. Und das gleichwohl die Solarthermie seit 2020 boomt und die Branche weiterhin im Aufwind ist. Wir hoffen, dass zumindest bei der Forderung nach deutlich grünerer Fernwärme an die vielen Solarthermie-Großanlagen gedacht wurde, die bereits in Deutschland laufen.

Foto und Grafik: Gutachten “Klimaneutrales Deutschland 2045”