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#KLIMATRAUER – spürst du sie auch?

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Der weltweit stattfindende Klimawandel nimmt mittlerweile katastrophale Ausmaße an. Deshalb reden wir besser auch von Klimakrise. Unser Planet verliert mit ihr Landschaften und mit diesen die, die darin leb(t)en: Pflanzen, Tiere und ja, auch Menschen. Jede aussterbende Art hat(te) ihren Platz mitten unter uns. Was nach ihrem Verlust bleibt, sind Lücken, die sich nicht füllen lassen. Das, diese Unwiederbringbarkeit, zu erleben, ist das Schicksal unserer Zeit. Ein Schicksal, das wir alle teilen. Es weckt Gefühle in uns: Angst, Wut, Verzweiflung, Trauer. Der Begriff #Klimatrauer (auf Englisch: “Climate Grief”) steht plötzlich im Raum. Das zugehörige Gefühl birgt Risiken und Chancen, denen wir hier buchstäblich nachspüren.  

Auf der sogenannten Roten Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten der Weltnaturschutzunion IUCN standen laut dem WWF im Juli dieses Jahres 28.338 Tier- und Pflanzenarten. Darunter allseits bekannte Sympathieträger wie Primaten, Giraffen und Rochen ebenso wie Wesen, die die wenigstens von uns je zu Gesicht bekommen haben. Ob bekannt oder unbekannt – das ist angesichts ihres drohenden Verlustes gleich. Jede verlorene Art fehlt dem System, das infolgedessen sichtbar erkrankt und früher oder später zusammenzubrechen droht. Wer das als Schwarzschreiberei abstempelt, sollte sich allein anschauen, was der Verlust der Bienen für unsere Welt bedeutet:

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Das Szenario des Systemzusammenbruchs ist für uns Menschen neu. Grund genug für Trauer ist damit da: um jedes einzelne Wesen, um jede Art, um unsere Welt, um uns. Doch es geht nicht nur um den Verlust dessen, was war. #Klimatrauer ist auch Trauer um das, was nicht mehr wird.

#Klimatrauer kommt nicht allein daher: Wenn Andreas Krüger, Geschäftsleiter Ökologischer Fußabdruck beim WWF Deutschland, die eingangs zitierte Zahl der IUCN mit den Worten kommentiert: “Was der Asteroideneinschlag für die Dinosaurier war, ist die Menschheit für die heute vorkommende Tier- und Pflanzenwelt . Lebensraumzerstörung, Wilderei und Übernutzung von Ressourcen sowie die Klimakrise dezimieren die biologische Vielfalt in schwindelerregendem Tempo“, dann wird einem schnell klar, dass #Klimatrauer nur eins der Gefühle ist, die wir empfinden. Es geht neben der Trauer und Angst zum Beispiel auch um Schuldgefühle. Denn die Klimakrise ist nun mal menschengemacht.

Vom Umgang mit Trauer und #Klimatrauer

Das Gefühl Trauer ist eins, das jeder Mensch im Laufe seines Lebens kennenlernt. Trauer ist daher Gegenstand von Kultur, Tradition, Religion, Kunst und Wissenschaft. Einen verdammt guten Überblick über das, was die Wissenschaft zum Gefühl Trauer inzwischen weiß, habe ich hier auf dem Blog “Jeder hat Angst” gefunden: Schaut unbedingt mal rein, die Autorin Janett Menzel hat dort die bekanntesten Modelle und Phasen von Trauer anschaulich beschrieben. Ihr geht es zwar um Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen – gemessen auf der Gefühlsskala ist das aus meiner Sicht jedoch ohne Weiteres der Trauerstärke gleichzusetzen, mit der #Klimatrauer sich in mir breit macht, wenn ich von der Klimakrise betroffen bin. Ich weiß, dass die Betroffenheit der Schlüssel dafür ist, das Gefühl #Klimatrauer überhaupt zu fühlen, und auch, dass es in unserer scheinbar noch ach-so-heilen-deutschen-Welt viele gibt, die sich noch nicht von der Klimakrise betroffen sehen. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich das ändern wird: Immerhin zählte Deutschland laut dem Ranking der Entwicklungsorganisation Germanwatch im vergangenen Jahr erstmals zu den drei am stärksten von Extremwetter betroffenen Staaten. Doch ich schweife ab. Zurück zur #Klimatrauer!

Wenn ich mir die Forschung zur Trauer im Allgemeinen anschaue, dann lässt sich ihr Wesen je nach wissenschaftlichem Modell in Phasen oder Wellen unterscheiden, die ich auch auf #Klimatrauer beziehen kann. Auf das Wesentliche beschränkt, erleben wir Trauer beziehungsweise #Klimatrauer demnach so: Anfangs ist da Verleugnung oder Nicht-wahr-haben-wollen des Verlusts. Dann folgen starke Gefühlswellen mit Wut, #Klimaangst, Aggression, Schmerz. Als Nächstes käme ausgelebte Erinnerung an das Verlorene, die schließlich zu Akzeptanz des Verlusts führe, die in Loslassen und Neuanfang münde.

Und das ist mir hier ganz wichtig: In dem Erleben unserer #Klimatrauer steckt für jeden von uns die Chance für einen Neuanfang. Ein Neuanfang, der zwar ohne die verlorene Art stattfinden muss, aber uns immer noch Raum und Zeit für Gestaltung lässt.

Warum ich hier überhaupt über so eine Gefühlsduselei schreibe? Weil ich denke, dass wir über Gefühle wie #Klimaangst und #Klimatrauer reden müssen. Denn diese Gefühle bewegen uns. Mich, meine Kinder zwischen 5 und 15. Als Erwachsene und Mutter sehe ich mich in der Pflicht, die aufkeimenden Gefühle in mir und in meinen Mitmenschen wahr- und anzunehmen und zu besprechen. Denn Gefühle machen uns aus, geben unserem Leben Sinn. Sie lähmen und bewegen uns. Ich hoffe inständig, dass wir Erwachsenen, Eltern, in der Lage sind, die absolut berechtigte #Klimatrauer unserer Kinder so zu begleiten, dass sie ihr Erleben so überstehen, dass sie nicht gelähmt vor #Klimaangst verharren, sondern gestalten. Mit der #Klimaschuld, die meine und die Genrationen vor mir tragen, müssen wir ebenfalls zu leben lernen. Doch darüber ein anderes Mal mehr.

Zum Weiterlesen über #Klimatrauer

Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff #Klimatrauer noch sehr wenig diskutiert. Wer des Englischen mächtig ist, sollte deshalb unbedingt in den englischsprachigen Teilen des Internets weiterlesen. Für alle, die sich auf Deutsch informieren wollen, habe ich hier eine kleine, feine Liste mit Lesestoff für euch zum Thema #Klimatrauer. Empfehlen kann ich euch zudem das Hashtag #Klimatrauer auf den bekannten Social Media.

“Lasst die Trauer zu”:

Die Klimareporter berichten über den berührenden Film über Plastikverschmutzung auf einer wilden Insel im Pazifik, den der Fotograf Chris Jordan gedreht hat und der darin, wie in vielen seiner Arbeiten Schönheit mit Verlust und Trauer kontrastriere.

Wie die Klimakatastrophe psychisch krank macht

Der Standard berichtet hier darüber, dass die Angst um unseren Planeten bei vielen Jugendlichen Depressionen auslöse – und erklärt neue Fachbegriffe in der Psychiatrie wie Eco-Anxiety, Climate Grief und Sostalgie.

Das Phänomen Umwelttrauer

Die Journalistin Lisa Rauschenberger weist hier auf ihrer Internetseite auf ihr Feature für WDR 5 Neugier Genügt hin, in dem sie mit einer Wissenschaftlerin spricht, die über Umwelttrauer bei Inuit in Kanada forscht. Außerdem fragt sie darin einen Wissenschaftler, der sich tagtäglich mit den möglichen Folgen des Klimawandels auseinandersetzt und sie trifft eine Umweltaktivistin, die es geschafft hat, die Angst vor der Klimakrise in etwas Positives umzuwandeln.

Wie kann kollektive Verantwortung praktiziert werden?

Zwar sehr theoretisch, aber unbedingt des Mitdenkens und Nachdenkens wert ist dieser wissenschaftliche Beitrag über kollektive Verantwortung.

Grafik: Doreen Brumme