Kühlgrenztemperatur Hitzetoleranz des Menschen

Hitzetoleranz: Wie viel Wärme erträgt der Mensch?

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Während sich derzeit die Nachrichten rund um die deutsche Gasversorgung und damit die Wärmeversorgung (Heizwärme, Wärme zur Warmwasserbereitung und Prozesswärme) überschlagen, wollen wir euch auf einen Artikel im Online-Magazin scinexx.de hinweisen, der uns nicht minder wichtig erscheint: Unter dem Titel “Ist unsere Hitzetoleranz geringer als gedacht?” geht es darin um den Grenzwert für die Toleranz des Menschen gegenüber schwülheißen Temperaturen (Kühlgrenztemperatur), der bislang zu hoch liegen könnte. Warum das wichtig ist? Das lest ihr hier!

Bisheriger Wert für Kühlgrenztemperatur (35 °C) ist möglicherweise zu hoch

Dem Bericht zufolge seien bisher 35 Grad Celsius (° C) als sogenannte Kühlgrenztemperatur angenommen worden, also als potenziell tödliches Limit für den Menschen. Nun habe eine Studie ergeben, die Wissenschaftler der US-amerikanischen Pennsylvania State University durchgeführt und im Journal of Applied, Physiology, 2022; doi: 10.1152/japplphysiol.00738.2021 veröffentlicht hätten, dass dieser Wert für die Toleranz des Menschen gegenüber schwülheißem Wetter offenbar zu hoch sei. Den neuen Forschungsergebnissen zufolge würden nämlich  schon 31 ° C Wärme bei hoher Luftfeuchtigkeit reichen, um die Kerntemperatur junger, gesunder Testpersonen gefährlich ansteigen zu lassen. Angesichts von sowohl in der Zahl als auch in der Intensität zunehmenden Hitzewellen als eine Folge des von Menschenhand verursachten Klimawandels könnte das laut Scinexx heißen, dass mehr Menschen von der Hitze gefährden seien als bisher vermutet.

Den physikalischen Hintergrund erklärt das Portal so: Normalerweise schaffe es der menschliche Körper selbst an heißen Tagen, seine Kerntemperatur auf knapp 37 ° C zu halten. Die sogenannte Verdunstungskühlung beim Schwitzen sorge dann für die nötige Abkühlung. Problematisch daran sei, dass der Schweiß bei hoher Luftfeuchtigkeit nicht mehr verdunste – und der überlebenswichtige Kühleffekt ausbleibe. Es drohe eine Überhitzung des Körpers und im Extremfall der Tod.

Wie viel Hitze verträgt der Mensch?

Scinexx.de führt weiter aus, dass man bislang davon ausgegangen sei, dass ein gesunder Mensch eine Kühlgrenztemperatur von 35 ° C nicht viel länger als sechs Stunden überleben könne. Dieses Limit ergebe sich demnach aus der Kombination

  • von Temperatur
  • und Luftfeuchte

und entspreche

  • 35 ° C bei 100 Prozent Luftfeuchte
  • oder 46 ° C bei 50 Prozent Feuchtigkeit.

Das Problem an dieser Annahme sei laut dem Wissenschaftler Daniel Vecellio und seinen Kollegen von der Pennsylvania State University, dass dies ein theoretischer Grenzwert sei, der zwar auf physiologischen Prinzipien beruhe, der aber bislang nicht mit empirische Daten überprüft worden sei.

Das hätten die US-Forscher jetzt nachgeholt. Für ihre Studie setzten sie Scinexx zufolge 24 gesunde Testpersonen im Alter von 18 bis 34 Jahren in Klimakammern verschiedenen Kombinationen von Hitze und Luftfeuchtigkeit aus. Alle Studienteilnehmer hätten demnach nur leichte T-Shirts und Shorts getragen und sich langsam auf einem Laufband oder Fahrrad bewegt, um die für Alltagsaktivitäten typische Bewegung zu imitieren. Währenddessen seien die Schweißproduktion und die Hauttemperatur an mehreren Körperregionen gemessen worden. Zudem habe eine von den Teilnehmern geschluckte Sensorkapsel die Kerntemperatur stetig dokumentiert.

Schon ab 25 °C wird’s dem Menschen zu heiß

Die Testmessungen hätten ergeben, dass die Kerntemperatur der Testpersonen schon weit unterhalb der gängigen Kühlgrenztemperatur von 35 ° C kritische Werte erreichte. Bei hoher Luftfeuchtigkeit von nahe 100 Prozent hätten die Grenzwerte stattdessen bei 30 bis 31 ° C gelegen. Keine der Testpersonen in den sechs verschiedenen Experimentvarianten das theoretisch tolerierbare Hitzelimit von 35 ° C. Vielmehr seien die Werte der Getesteten schon weit darunter kritisch gewesen.

Interessant sei laut Scinexx auch, dass – entgegen der bisherigen Annahme – ein leichtes Absinken der Luftfeuchtigkeit nicht zu höheren Hitzetoleranzen geführt habe. Vielmehr habe kritische Kühlgrenztemperatur unter diesen Bedingungen sogar bei “nur” 25 bis 28 ° C gelegen. Das Onlineportal zitiert die US-Wissenschaftler dazu mit den Worten: “Die kritischen Kühlgrenztemperaturen in heißen, trockeneren Umgebungen lagen damit fast zehn Grad niedriger als die Literaturwerte“, Demnach sei auch beobachtet worden, dass dies teils daran gelegen habe, dass die Testpersonen trotz geringerer Luftfeuchtigkeit ihre Schweißproduktion ab einem bestimmten Temperaturwert nicht weiter erhöht hätten.

Hitzegefahr des Klimawandels unterschätzt

Den US-Forschern zufolge hätten die neuen Erkenntnisse zur Hitzetoleranz des Menschen erhebliche Konsequenzen: Das Klima verändere sich und es werde häufigere und intensivere Hitzewellen geben. Das sagte laut Scinexx der Co-Autor der Studie, Larry Kenney. Ihm zufolge würden die Ergebnisse der Studie darauf hindeuten, dass die Menschen sich in schwülwarmen Regionen der Erde schon dann Sorgen machen sollten, wenn die Kühlgrenztemperatur über 31 Grad steige. Selbst junge, gesunde Menschen könnten schließlich von solchen Klimabedingungen schon körperlich überfordert sein – und ältere und kranke umso mehr.

Gut zu wissen: Schon bei höher angesetzten Grenzwerten würden Studien laut Scinexx davon ausgehen, dass 1,2 Milliarden Menschen weltweit künftig lebensbedrohliche Hitzeperioden durchleben würden. Einige Regionen der Erde könnten demnach im Sommer sogar komplett unbewohnbar werden – zumindest ohne Klimaanlagen und andere ausgleichende Maßnahmen.

Liege die kritische Kühlgrenztemperatur nun noch deutlich niedriger als gedacht, könnte sich das Ausmaß noch weiter erhöhen –  sowohl hinsichtlich der betroffenen Menschen als auch der noch bewohnbaren Gebiete.

Das Fazit der Wissenschaftler zieht Vecellio laut Scinexx dann auch mit Worten: Die von ihm und Kollegen ermittelten kritischen Toleranzgrenzen würden dokumentieren, dass Teile unseres Planeten schon jetzt regelmäßig solche nicht mehr kompensierbaren Kühlgrenztemperaturen erlebten.

Kühlgrenztemperatur ist kein universeller Grenzwert

Zugleich hätte die Studie gezeigt, dass sich die für den Menschen kritische Hitzeschwelle in Abhängigkeit von den Klimabedingungen stärker unterscheiden könnte als bislang gedacht. Deshalb könne man nicht von einer universellen kritischen Kühlgrenztemperatur für die menschliche Temperaturtoleranz auf dem gesamten Globus ausgehen. Das Klimarisiko müsse aus diesem Grund deutlich stärker geografisch betrachtet werden.

Foto: Doreen Brumme