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Aus der Forschung: Herdentrieb als Anreiz für Wärmewende!

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Damit die Wärmewende in deutschen Heizungskellern gelingt, muss gut jede zweite  Heizung ausgetauscht werden. Denn laut den aktuellen Erhebungen der Branchenverbände ZIV und BDH seien mehr als die Hälfte der hierzulande installierten Heizungen technisch veraltet und damit unzureichend effizient. Doch wie motiviert man Heizungsbetreiber zum Umstieg auf umweltfreundiche Heizungen? Indem man monetäre Reize schafft und den Herdentrieb anstachelt.

Nach den aktuellsten Erhebungen des  Schornsteinfegerhandwerks gab es im Jahr 2019 in Deutschland insgesamt fast 33 Millionen Feuerungsanlagen. Die Zahl umfasse laut der Pressemitteilung des Bundesverbandes
des Schornsteinfegerhandwerks
– Zentralinnungsverband (ZIV) – sowohl

  • Heizungsanlagen,
  • als auch Warmwasser- und Raumheizer
  • sowie Einzelraumfeuerstätten,

die vom Schornsteinfeger im gesetzlichen Auftrag
überprüft würden.

Nachfrage nach erneuerbaren Heizungen steigt – dank monetärer Anreize

Seit Erhöhung der Förderzuschüsse für erneuerbares und energieeffizientes Heizen zum Anfang dieses Jahres deute sich laut den Branchenverbänden eine Trendwende an. Die Schornsteinfeger würden demnach von einer regional deutlich stärkeren
Nachfrage nach Pelletheizkesseln berichten.

Nur kurz zur Erinnerung, ausführlich haben wir euch die neuen Fördergelder hier auf dem Solarthermie-Blog zum Jahresbeginn bereits vorgestellt:

  • Seit Januar 2020 könnt ihr als Hausbesitzer für den Einbau einer Biomasse-Heizung Investitionszuschüsse von bis zu 35 Prozent bekommen.
  • Für den Austausch einer Ölheizung gibts sogar eine Fördersumme von bis zu 45 Prozent.
  • Für die Installation einer Solarthermie-Anlage könnt ihr mit bis zu 30 Prozent Förderung rechnen.

Wie viele Förderanträge tatsächlich eingereicht wurden und welche erneuerbaren Energieträger verwendet werden, wird sich in Kürze zeigen, denn auf unsere Nachfrage nach neusten MAP-Antragszahlen antwortete uns das BAFA dieser Tage schriftlich, dass “für das Förderprogramm ‘Heizen mit erneuerbaren Energien’ derzeit neuere Zahlen” zusammengestellt und die Veröffentlichung einer Halbjahresstatistik vorbereitet würden.Wir sind gespannt, welche Wirkung die monetären Anreize für die Wärmewende zeigen.

Heizen_Deutschland_2019_Wärmewende_anheizen_Gesamtbestand_zentrale_Waermeerzeuger

Anlagenbestand 2019: Heizungen in Deutschland

Nach den Erhebungen des Schornsteinfegerhandwerks im Jahr 2019 setze sich der Anlagenbestand in Deutschland so zusammen:

Gaswärme und Ölwärme

Von insgesamt 19,2 Millionen Heizungsanlagen (ohne Raumheizer und Warmwasserheizer) würden

  • 28,5 Prozent den Brennstoff Öl (5,5 Millionen)
  • und 71,5 Prozent Erdgas (13,7 Millionen) nutzen.

In diesem Bestand entwickele sich energieeffiziente Brennwerttechnik mehr und mehr zum Standard. 39 Prozent aller Öl- und Gasheizkessel würden auf Brennwertbasis höhere Wirkungsgrade erzielen. Der Anteil der Gasbrennwertgeräte überwiege hierbei deutlich. Fast die Hälfte aller Gasheizungen zählten demnach bereits zur Anlagenkategorie der Brennwertgeräte. Es sei davon auszugehen, dass sich
diese Tendenz fortsetze und im Jahr 2020 erstmals mehr Gasbrennwert- als Gasheizwertkessel in Betrieb sein würden. Von den 5,5 Millionen Ölheizungen verfügten etwa 13 Prozent über Brennwerttechnik.

Wärme aus festen Brennstoffen: Holzwärme und Kohlewärme

Zum Heizungsbestand mit 19,2 Millionen Öl- und Gasheizungen kämen zudem rund eine Million Heizkessel für feste Brennstoffe hinzu. Sie erzeugten Wärme hauptsächlich mit erneuerbaren Energien in Form von Pellets, Hackschnitzeln oder Scheitholz (rund 0,9 Millionen Anlagen) sowie in geringer Zahl mit Kohle (rund 0,1 Mliionen Anlagen).

Außerdem müssten noch rund 11,1 Millionen Einzelraumfeuerstätten für feste Brennstoffe, darunter Kamin-, Kachelöfen oder Heizeinsätze einberechnet werden, die in der Regel als zusätzliche Wärmequelle genutzt würden. Als Brennstoff käme hier überwiegend Scheitholz zum Einsatz, es folgen Pellets deutlich vor Kohle.

Heizen_Deutschland_2019_Wärmewende_anheizen_10_Jahresverlauf_Absatz_Waermeerzeuger

Fazit der Branche: Noch immer zu viele alte Heizungen

70 Prozent der Ölheizungen und 60 Prozent der Gasheizungen in Deutschland seien laut den Branchenverbänden älter als 20 Jahre. „Über die Hälfte der Heizungsanlagen ist 20 Jahre alt und älter. Wir sollten unsere Kunden darauf hinweisen, dass diese Anlagen mittlerweile als energetisch ineffizient anzusehen sind“, sagt Oswald Wilhelm, Präsident des ZIV. Dem Stand der Technik entsprächen demnach gerade einmal 5,1 Millionen Gas- oder Öl-Brennwertanlagen sowie die Anlagen, die erneuerbare Energien einkoppeln. Dies treffe auf die rund 0,9 Millionen Biomassekessel, eine Million Wärmepumpen sowie 2,4 Millionen Brennwertgeräte in Kombination mit einer Solarthermie-Anlage zu.

Ab einem Alter von 15 Jahren gelte ein Heizkessel als energetisch ineffizient.

Seit 2017 bewerte das Schornsteinfegerhandwerk stufenweise die Energieeffizienz von Öl- und Gasheizkesseln mit einem Betriebsalter von über 15 Jahren. Mehr als 3,3 Millionen Kessel hätten bereits ein Energieeffizienzlabel vom Schornsteinfeger erhalten. Zurzeit werde ermittelt, wie viele Kessel im Anschluss an die Energieverbrauchskennzeichnung (auf Basis des EnVKG) ausgetauscht würden.

Herdentrieb entfachen – Wärmewende anheizen

Die erhöhten monetären Anreize, die Wärmewende im eigenen Heizungskeller anzugehen, zeigten den Branchenverbänden zufolge bereits Wirkung. „Die neue Förderung zeigt erste positive Markteffekte“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) Andreas Lücke gegenüber der Presse. „Wir brauchen eine verlässliche Ausfinanzierung der beschlossenen Förderprogramme von KfW und BAFA. Ein Förderstopp würde den derzeit noch positiven Marktverlauf abrupt unterbrechen“, so Lücke weiter.

Doch noch immer geht die Wärmewende zu langsam. “Der Blick auf den Anlagenbestand mache deutlich, dass die dringend benötigte Wärmewende noch in weiter Ferne liegt“, kommentiert BDH-Präsident Uwe Glock. „Im Sinne des Klimaschutzes und der Erreichung der Klimaziele müssen die enormen Potenziale des Wärmemarktes beschleunigt gehoben werden.“  Was könnte helfen, die Wärmewende zu beschleunigen? Der uns eigene Herdentrieb vielleicht?

Herdentrieb anstacheln

“Wer andere auf Fehlverhalten hinweist, provoziert damit vor allem Ablehnung.” Das sagt Dr. David D. Loschelder von der Leuphana-Universität Lüneburg. Der Psychologie-Professor hat im vergangenen  Jahr eine Studie veröffentlicht, die aufzeigt, was helfen könnte, um mehr Heizungsbetreiber dazu zu bringen, ihre umweltunfreundliche gegen eine umweltfreundliche Heizung zu tauschen: Um Verhalten zu ändern, sollte man demnach den Herdentrieb des Menschen anstacheln. “Dazuzugehören, Teil einer Gruppe zu sein, sind menschliche Grundbedürfnisse”, sagt Loschelder gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Wer nicht wüsste, was er tun solle, der schaue demnach eben erst einmal, wie die anderen (Verwandte, Nachbarn) heizten, und orientiere sich dann daran.

Die interdisziplinäre Forschungsgruppe unter  Loschelders Leitung habe den Herdentrieb am Beispiel von Coffee-to-go-Bechern untersucht. In der Pressemeldung der Uni wird der Hintergrund so erklärt: In Deutschland seien im Jahr 2015 nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe stündlich
320.000 Einweg-Becher verbraucht worden. Nicht nur der damit verbundene Ressourceneinsatz, auch die daraus resultierende Abfallthematik seien unter
Nachhaltigkeitsaspekten hochproblematisch. Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen hätten daher Überlegungen angestellt, wie Verbraucher zu einem umweltfreundlicheren Verhalten bewegt werden könnten und verstärkt Mehrweg-
Becher nutzten.

Am ehesten ließen sich die Kunden dazu umstimmen, wenn sie auf das Verhalten der anderen Besucher hingewiesen worden seien: “Immer mehr wechseln von einem To-go-Becher zu einer nachhaltigen Alternative” habe auf einem Schild gestanden, das die Forscher im Café angebracht hätten. Auf diese Weise sei der Verkauf von Heißgetränken in Mehrwegbechern im Untersuchungszeitraum (14 Wochen) um gut 17 Prozent angestiegen. Das sei nicht die Welt, aber ein kleiner Beginn, ohne Verbot etwas zu bewirken.

In diesem Sinne gilt unser Aufruf all denen, die bereit mit Holzwärme und Solarwärme heizen: Zeigt her eure Solarthermie-Kollektoren! Sprecht mit den Menschen in eurem Umfeld! erklärt, warum ihr die Wärmewende bereits vollzogen habt und was sie euch bringt!

Grafiken: ZIV und BDH