Renovation Wave der EU

Renovation Wave der EU: Da kommt was auf uns zu!

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Mach doch keine Welle! Klar, im pandemischen oder tsunamischen Geschehen ist eine Welle alles andere als wünschenswert. Doch mit der Renovation Wave der EU ist das anders: Die ist mehr als erwünscht, da dringend nötig. Wir stellen euch heute die “Renovierungswelle” vor, die die EU gerade losgetreten hat und darauf abzielt, die Energieeffizienz von Gebäuden europaweit zu verbessern. Dazu soll die Renovierungsquote in den kommenden zehn Jahren mindestens verdoppelt werden.

Die Europäische Kommission veröffentlichte dieser Tage ihre Strategie für die Renovation Wave (die ihr euch hier als PDF downloaden könnt).

Was ist die Renovation Wave der EU?

Mit ihrer Renovierungswelle will die Kommission erreichen, dass europaweit mehr Gebäude renoviert werden, um sowohl die Energie- als auch die Ressourceneffizienz derselben zu steigern. Beides soll dazu beitragen,

  1. die Lebensqualität der Bewohner und/oder Nutzer der Gebäude zu verbessern,
  2. die Treibhausgasemissionen (CO2-Emissionen) in Europa zu verringern,
  3. die Digitalisierung zu fördern
  4. und mehr Werkstoffe wiederzuverwenden und zu recyceln (Stichwort: Kreislaufwirtschaft; craddle-to-craddle).

In den kommenden zehn Jahren sollen in Europa – verglichen mit der aktuellen Renovierungsquote – mindestens doppelt so viele Bestandsgebäude energetisch renoviert werden. Bis zum Jahr 2030 könnten nach Angaben der EU-Kommission 35 Millionen Gebäude renoviert und bis zu 160 000 zusätzliche grüne Arbeitsplätze im Baugewerbe geschaffen werden.

Warum lohnt sich die Renovation Wave?

Auf Gebäude entfielen, so begründet die Kommission das Lostreten der Renovation Wave,

  • etwa 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU
  • und 36 Prozent der mit dem Energieverbrauch verursachten Treibhausgasemissionen.

Ziel 1: Klimaneutrales Europa

Pro Jahr werde derzeit aber nur ein Prozent des Gebäudebestands dank Renovierungen energieeffizienter. Somit sei es von entscheidender Bedeutung, dass wirksame Maßnahmen ergriffen würden, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen.

Ziel 2: Energiearmut bekämpfen

Die folgende Zahl belegt, dass die EU mit ihrer Renovation Wave ein zweites Ziel verfolgt: Fast 34 Millionen Europäer könnten es sich demnach nicht leisten, ihre Wohnung zu heizen.

Und deshalb sollen die Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz auch die herrschende Energiearmut bekämpfen. Denn sie wirkten sich laut der EU positiv auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen aus und würden dabei helfen, die Energierechnungen niedrig zu halten. Mit der Veröffentlichung der Renovation Wave habe die Kommission zugleich auch eine an die EU-Mitgliedstaaten gerichtete Empfehlung zur Bekämpfung von Energiearmut veröffentlicht, ist hier zu lesen.

Der für den europäischen Grünen Deal (wir berichteten bereits) zuständige Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans sagte dazu gegenüber der Presse, dass Beleuchtung, Heizung oder Kühlung der eigenen vier Wände in Europa kein Luxus sein solle, der verheerende Folgen für die Finanzen oder den Planeten hätte. Mit der Renovierungswelle verbesserten sich die Gebäude, in denen gearbeitet, gelebt und gelern werde. Zugleich würden menschengemachte Auswirkungen auf die Umwelt verringert und es entstünden Tausende von Arbeitsplätzen für die Menschen in Europa. Wir bräuchten laut Timmermanns bessere Gebäude, wenn uns an einem besseren Wiederaufbau gelegen sei.

Was bringt die Renovierungswelle an konkreten Maßnahmen?

Und die EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson, ergänzte, dass der grüne Aufschwung bei uns allen zu Hause beginne. Die Renovierungswelle sehe Maßnahmen zur Beseitigung zahlreicher Hindernisse vor, aufgrund derer Renovierungen derzeit noch

  • kompliziert,
  • teuer
  • und zeitaufwendig seien

und viele dringende Vorhaben nicht in Angriff genommen würden.

Demnach werde die EU-Kommission bessere Möglichkeiten zum Messen des Nutzens von energetischen Renovierungen vorschlagen. Zudem würden Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz, mehr finanzielle Unterstützung der EU und technische Hilfe Finanzierungen mit „grünen“ Hypotheken begünstigen und das Nutzen erneuerbarer Energien für die Wärme- und Kälteerzeugung fördern. All dies werde für Eigentümer, Mieter und Behörden entscheidende Verbesserungen bringen, ist sich Simson sicher.

Strategisches der Renovation Wave

Mit der Strategie würden Maßnahmen in drei Bereichen priorisiert:

  • Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung und Kälteerzeugung,
  • Bekämpfung von Energiearmut
  • und Maßnahmen für Gebäude mit der geringsten Energieeffizienz sowie Renovierung öffentlicher Gebäude (Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude und andere).

Die Kommission schlage nach eigenen Angaben vor, die in der gesamten Renovierungskette – von der Planung und Finanzierung eines Projekts bis hin zu seiner  Fertigstellung – bestehenden Hindernisse mit einer Reihe von Maßnahmen und Instrumenten in den Bereichen Finanzierung und technische Unterstützung zu beseitigen.

Die Strategie zur Renovation Wave der EU umfasse demnach folgende Leitaktionen:

  • Strengere Vorschriften, Standards und Informationen bezüglich der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, um Renovierungen im öffentlichen und privaten Sektor attraktiver zu machen. Darunter fielen auch die schrittweise Einführung verbindlicher Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz bestehender Gebäude, aktualisierte Vorschriften für Energieeffizienzausweise und eine etwaige Ausweitung der Renovierungsanforderungen für den öffentlichen Sektor.
  • Gewährleistung einer leicht zugänglichen und gezielten Finanzierung, unter anderem mit den europäischen Vorzeigeprojekten „Renovieren“ und „Vorantreiben“, die in der Aufbau- und Resilienzfazilität im Rahmen von NextGenerationEU vorgesehen seien, vereinfachte Regeln für die Kombination verschiedener Finanzierungskanäle und vielfältige Anreize für private Finanzierungen.
  • Ausbau der Kapazitäten zum Vorbereiten und Durchführen von Renovierungsprojekten: von der technischen Unterstützung nationaler und lokaler Behörden bis hin zu Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zugunsten von Beschäftigten, die die neuen „grünen Arbeitsplätze“ ausfüllten.
  • Ausweiten des Marktes für nachhaltige Bauprodukte und -leistungen: Integration neuer Werkstoffe und naturbasierter Lösungen sowie das Überarbeiten der Rechtsvorschriften zum Vermarkten von Bauprodukten und Zielvorgaben für Wiederverwendung und Verwertung.
  • Neues europäisches Bauhaus, ein interdisziplinäres Projekt, dem ein Beratungsgremium aus externen Sachverständigen aus Wissenschaft, Architektur, Design, Kunst, Planung und Zivilgesellschaft vorstehen werde. Bis Sommer 2021 werde die Kommission einen breit angelegten, partizipativen Prozess zur gemeinsamen Gestaltung einleiten, bevor sie ein Netz von fünf Gründungs-Bauhäusern im Jahr 2022 in verschiedenen EU-Ländern einrichte.
  • Entwicklung stadtteilbezogener Konzepte für lokale Gemeinschaften, um auf erneuerbaren Energien und Digitalisierung basierende Lösungen zu integrieren und Bezirke mit ausgeglichener Energiebilanz zu schaffen, in denen die Verbraucher zu Prosumenten werden, die Energie an das Netz verkaufen würden. Die Strategie umfasse auch eine für 100 Bezirke ausgelegte Initiative für bezahlbaren Wohnraum.

Im Zuge der für Juni 2021 vorgesehenen Überprüfung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie werde erwogen, den Vorgaben für die Wärme- und Kälteerzeugung aus erneuerbaren Energien einen höheren Stellenwert zu geben und ein Mindestniveau an Energie aus erneuerbaren Quellen in Gebäuden einzuführen. Die Kommission werde darüberhinaus auch prüfen, wie die Haushaltsmittel der EU neben den Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) zur Finanzierung nationaler, auf einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen zugeschnittener Energieeffizienz- und Energiesparprogramme eingesetzt werden könnten. Der Ökodesign-Rahmen werde weiterentwickelt, damit effiziente, gebäudegerechte Produkte auf den Markt gebracht und ihre Verwendung gefördert werden.

Bei der Renovierungswelle gehe es laut der EU-Kommission nicht nur darum, den vorhandenen Gebäudebestand energieeffizienter und klimaneutral zu gestalten. Vielmehr könne die Welle eine umfassende Veränderung unserer Städte und der baulich gestalteten Umwelt auslösen. Sie könne eine Chance sein, einen zukunftsorientierten Prozess einzuleiten, mit dem Nachhaltigkeit und Ästhetik in Einklang gebracht würden. Wie die Präsidentin Ursula von der Leyen angekündigt habe, werde die Kommission mit einem neuen europäischen Bauhaus eine neue europäische Ästhetik fördern, die Funktion und Erfindergeist miteinander vereine. Die Kommission

  • wolle demnach für eine lebenswerte Umgebung sorgen, die für niemand ein Luxus sein dürfe,
  • sowie Leistbarkeit und künstlerischen Anspruch in einer nachhaltigen Zukunft wieder in Einklang bringen.

Hintergrundwissen zur Renovation Wave

Zum Hintergrund der Renovation Wave erklärt die EU-Kommission, dass die SARS-COVID-19-Krise unsere Gebäude, ihre Bedeutung für unseren Alltag und ihre Schwachstellen in den Fokus rücke. Während der gesamten Pandemie spiele sich das tägliche Leben von Millionen Menschen in Europa in ihrem Zuhause ab: Dieses diene als Homeoffice, als improvisierte Kindertagesstätte oder behelfsmäßiges Klassenzimmer für Kindergarten- und Schulkinder. Viele hätten auch einfach von zu Hause aus online eingekauft oder das Unterhaltungsangebot im Internet genutzt.

Von Investitionen in Gebäude könnten dringend benötigte Impulse für das Baugewerbe und die gesamte Wirtschaft ausgehen. Renovierungsarbeiten seien arbeitsintensiv, schafften Arbeitsplätze und führten zu Investitionen, die oftmals mit lokalen Lieferketten verknüpft seien, erhöhten die Nachfrage nach besonders energieeffizienten Geräten, sorgten für mehr Klimaresilienz und steigerten den langfristigen Wert von Immobilien.

Damit das von der Kommission im September 2020 vorgeschlagene CO2-Emissionsminderungsziel von mindestens 55 Prozent bis 2030 erreicht werden könne, müsse die EU die Treibhausgasemissionen von Gebäuden um 60 Prozent, ihren Energieverbrauch um 14 Prozent und den Energieverbrauch für Heizung und Kühlung um 18 Prozent senken.

Die politischen Maßnahmen und Finanzierungen der EU hätten sich nach Angaben der Kommission bereits positiv auf die Energieeffizienz von Neubauten ausgewirkt, bei denen der Energiebedarf heute nur halb so hoch sei wie bei Gebäuden, die vor mehr als 20 Jahren errichtet worden seien. In der EU seien allerdings 85 Prozent der Gebäude über 20 Jahre alt, und 85 bis 95 Prozent dürften 2050 noch bestehen. Die Renovierungswelle sei  erforderlich, damit für diese Gebäude ähnliche Standards erreicht würden.

Foto: Doreen Brumme