Parabolrinnenkraftwerk_Ouarzazate_Marokko

Europas Solarthermie-Industrie startet Initiative zur Dekarbonisierung der Energiesysteme

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“From Green Deal to Green Recovery” – mit einer neuen Initiative mischt sich die europäische Solarthermie-Industrie in den derzeitigen Diskurs um eine Dekarbonisierung unserer künftigen Energiesysteme ein. Die Initiative fordert das Anerkennen der wichtigen Rolle der europäischen Solarthermie-Industrie im Kampf gegen den Klimawandel und das Bereitstellen sofort verfügbarer Lösungen zur Dekarbonisierung von Energiesystemen ein. Wir haben uns die gemeinsame Erklärung der europäischen Solarthermie-Industrie näher angeschaut.

Inhaltsverzeichnis

“From Green Deal to Green Recovery” – auf Deutsch ließe sich das Motto der neuen Initiative der europäischen Solarthemie-Industrie mit “Von der Grünen Abmachung zum Grünen Aufschwung” übersetzen. Hinter der Initiative stünden nach eigenen Angaben bislang 176 Unternehmen, Einrichtungen aus Forschung und Entwicklung (FuE) sowie Verbände aus ganz Europa, die angesichts des wegen der Corona-Krise steigenden Handlungsdrucks und vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über den von der Europäischen Kommission als strategische Priorität eingeleiteten Green Deal (darüber  berichteten wir bereits auf unserem Solarthermie-Blog) unter der Federführung der European Solar Thermal Electricity Association (ESTELA) eine gemeinsame Erklärung mitunterzeichnet hätten.

In der zugehörigen Presseerklärung der ESTELA heißt es, dass die Corona-Pandemie eine neue Dringlichkeit zur Wiederbelebung der europäischen Wirtschaft mit sich bringe, während der Green Deal gleichzeitig die Chance biete, die Wirtschaft nach der COVID-19-Krise nachhaltig und widerstandsfähig zu gestalten. Solarthermische Technologien (Concentrated Solar Thermal, CST) lieferten demnach sofort verfügbare Lösungen zur Dekarbonisierung von Energiesystemen und eröffneten zugleich vielfältige Geschäftsmöglichkeiten sowie die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze. Die CST-Initiative der europäischen Solarthermie-Industrie rufe daher zu einem “Green Recovery” unter Einbeziehung der Solarthermie auf.

Exkurs: Was ist CST – Concentrated Solar Thermal?

Auf Englisch heißt Solarthermie auch “Solar Thermal Energy”, kurz: STE. Solarthermie kann einerseits als eine Energieform (thermische Energie der Sonne) und andererseits als Technologie zu deren Gewinnung beziehungsweise Erzeugung betrachtet werden. Solarthermie-Kollektoren lassen sich in Nieder-, Mittel- und Hochtemperaturkollektoren unterscheiden, die enetsprechend temperierte Wärme erzeugen. Erstere sind meist unglasiert und zum Beispiel zum Beheizen von Schwimmbädern oder zum Erwärmen von Lüftungsluft im Einsatz. Mit Mitteltemepraturkollektoren wird Wärme erzeugt, die vornehmlich in Gebäuden und im Gewerbe zur Bereitstellung von Warmwasser und zur Raumheizung genutzt wird. Hochtemperaturkollektoren schließlich sind dank spezieller Spiegel und Linsen in der Lage, Sonnenlicht so zu bündeln, dass die von ihnen gelieferte Solarwärme so hohe Temperaturen erreicht, dass sie auch für industrielle Prozesse (sogenannte Prozesswärme oder “Concentrated Solar Thermal”, kurz: CST) oder zur Stromerzeugung zum Einsatz kommen kann.

Die Herausforderung der Dekarbonisierung betreffe laut der Pressemitteilung der ESTELA vor allem drei Sektoren:

  1. Elektrizität,
  2. Wärme und Kälte sowie
  3. Verkehr.

Die Umsetzung im Elektrizitätssektor scheine demnach heute ein vergleichsweise leicht zu erreichendes Ziel zu sein, während der Wärme- und noch mehr der Verkehrssektor vor komplexen Herausforderungen stünden und mehr Zeit und Aufwand erfordern würden. CST könne bedarfsgerechten Strom und Hochtemperaturwärme (bis zu 900 GRad Celsius (°C)) mit einem sehr hohen Kapazitätsfaktor (7000h/Jahr) bereitstellen, um die Dekarbonisierung von Industrieprozessen zu ermöglichen. Eine intelligente Integration von CST in die Energiepolitik würde demzufolge zu innovativen technologischen Lösungen für die oben genannten Sektoren führen. Neben den CST-Technologien, die der Verband ESTELA vertrete, könnten auch nichtkonzentrierende solarthermische Technologien, die bei niedrigeren Temperaturen arbeiteten, erheblich zur Dekarbonisierung des Gebäude- und Industriesektors beitragen.

Die CST-Initiative weist darauf hin, dass die europäische Solarindustrie nicht nur als der Photovoltaik-Sektor (PV) verstanden werden sollte und die beachtenswerten Vorteile der CST nicht unterschlagen werden sollten. Großunternehmen, KMUs und Forschungseinrichtungen in vielen europäischen Ländern arbeiteten demnach parallel an nachhaltigen Lösungen auf Basis von verschiedenen Solartechnologien.

In dieser Geschäftsrealität sei die CST kein Konkurrent der PV, sondern eine treibende Kraft für die weitere Verbreitung der Solarstromerzeugung innerhalb und außerhalb Europas. Die europäische Solarthermie-Industrie könne Strom auf Abruf in großem Maßstab und zu niedrigen Kosten bereitstellen. Dies sei die zeitgemäße Antwort auf die Herausforderung der Volatilität von Strom aus PV und Wind.

Um insbesondere die Vorteile der CST-Technologie zu nutzen, die CST-Kosten durch Skaleneffekte weiter zu senken und die europäische Technologieführerschaft auf dem Gebiet zu erhalten, fordern die Unterzeichner daher eine Anpassung des energiepolitischen Kurses. Sie fordern unter anderem

  • die Einbeziehung der CST und ihrer Merkmale in nationale regulatorische Rahmenbedingungen und Ausschreibungsverfahren für Stromprojekte aus erneuerbaren Energien,
  • den Zugang zu vergleichbaren finanziellen Bedingungen, wie sie für Nicht-EU-Wettbewerber auf den Weltmärkten zur Verfügung stünden
  • und die Unterstützung groß angelegter CST-Demonstrationsprojekte für Hochtemperatur-Prozesswärme und industrielle Dekarbonisierungsprojekte innerhalb eines ehrgeizigeren europäischen Innovationsökosystems.

Foto (Titel): Ausschnitt des CST- Parabolrinnenkraftwerks bei Ouarzazate in Marokko (© Fraunhofer ISE)