So heizt die Welt nicht!

Heizen: So heizt die Welt (nicht)! (2)

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Wir haben mit euch hier auf dem Solarthermie-Blog kürzlich eine Heizungsweltreise gemacht und dabei erfahren, welche Heizgewohnheiten Menschen in anderen Ländern unserer Erde haben. Dabei fielen uns auch beunruhigende Nachrichten zum Heizen, oder besser: zum Nicht-Heizen-Können von vielen Menschen auf – aus Bulgarien, Frankreich und ja, auch aus Deutschland. Und die wollen wir euch nicht vorenthalten:

Heizsaison in Europa 2020/21: Viele müssen auch diesen Winter ihre Heizung aus Geldmangel auslassen

Erwähnte Medienberichte zum Nicht-Heizen-Können schreiben zum Beispiel, dass mehr als ein Viertel der Menschen in Bulgarien im Jahr 2020 aus Geldmangel nicht hatte genügend heizen können. Dem Bericht des MDR online zufolge sei die Angst vor der Heizkostenabrechnung wohl in keinem europäischen Land so groß wie in Bulgarien. Das belege demnach die Armutsstatistik von Eurostat, die Bulgarien anführe: 27 Prozent der Bulgaren hätten dort zuletzt angegeben, dass sie ihr Zuhause nicht angemessen heizen könnten. Der Grund: Geldmangel. Besonders Ältere und Geringverdiener sowie kinderreiche Familien in Bulgarien würden dem MDR online zufolge unter den extremen Energiepreisen leiden. Angesichts von Renten um die 250 Euro und einem Mindestlohn von 340 Euro müssten diese Menschen stärker als alle anderen auf ihre Heizkosten achten.

Wie man in Bulgarien heize, so schreibt der MDR online weiter, das hänge einerseits davon ab, wo man wohne, und andererseits davon ab, wie viel Geld man zur Verfügung habe. Selbst wenn es wie in der bulgarischen Hauptstadt Sofia ein Fernwärme-System gebe, bedeute das demnach nicht automatisch, dass alle daran angeschlossenen Einwohner einfach ihre Heizung aufdrehen könnten. Viele Einwohner seien wegen Finanzskandalen bei den Stadtwerken und steigenden Preise auf andere Heizmethoden umgestiegen und würden häufig Klimaanlagen nutzen, um ihre Wohnungen zu heizen, was sie allerdings in eine neue Abhängigkeit getrieben hätte: Sie seien jetzt den global steigenden und nach wie vor immer wieder mal schwankenden Strompreisen ausgeliefert.

Auch aus Frankreich kommen dieser Tage alles andere als großartige Informationen zur Heizlage der Grande Nation: Die Tageszeitung Junge Welt schreibt in ihrer Onlineausgabe unter dem Titel “Essen oder heizen”, dass fast die Hälfte der 18- bis 34-jährigen Menschen in Frankreich ihre Energierechnungen kaum noch bezahlen könnte. Dabei beziehe sich die Zeitung auf Zahlen des französischen “Observatoire National de la Précarité Energétique” (ONPE) von Anfang November2021. Die würden belegen, dass es auch in Frankreich für immer mehr Menschen um die Frage gehe, ob sie lieber essen oder die Wohnung heizen wollten.

Auf die Frage von ONPE, warum sie frören, äußerten 40 Prozent der Befragten die Vermutung, dass ihre Wohnung oder das Wohngebäude insgesamt schlecht isoliert sei. 30 Prozent der betroffenen Familien glaubten demnach, dass ein ungewöhnlich harter Winter das Land von Zeit zu Zeit träfe und das Frieren zuhause unvermeidbares Schicksal sei.

Als wahren Grund aber, den immerhin 36 Prozent der Befragten als ursächlich für ihre winterliche Misere erkannten, nannte ONPE den leeren Geldbeutel der unteren Einkommensschichten der Bevölkerung. Mehr als ein Drittel der befragten Menschen mit niedrigem Einkommen hätte mindestens 24 Stunden lang aus finanziellen Gründen gefroren. Vier Prozent der Befragten hätten zudem angegeben, dass ihnen ihr Energieversorger wegen unbezahlter Rechnungen schon den Strom- oder Gashahn zugedreht hätte.

Die Zahl der Haushalte, die Probleme gehabt hätten, ihre Energierechnung zu bezahlen, sei laut dem Bericht der Jungen Welt, bezogen auf die Gesamtbevölkerung Frankreichs,  von 10 Prozent im Jahr 2013 auf 18 Prozent Jahr 2019 gestiegen. 671.000 Haushalte hätten 2019 demnach Mahnungen im Briefkasten oder einen Techniker bei sich zu Hause gehabt, geschickt von ihrem Strom- oder Gasversorger, der den Versorgungshahn zudrehte und verplombte.

Am härtesten und am meisten betroffen seien davon die 18- bis 34-Jährigen gewesen. Fast die Hälfte der Befragten dieser Altersgruppe hätte angegeben, dass sie ihre Energierechnungen nicht mehr pünktlich und regelmäßig bezahlen könnte. Nach ONPE-Rechnung entspreche das einem Anstieg von 32 Prozent im Jahre 2018 auf 46 Prozent Jahr 2019.

Die Junge Welt schließt ihren Bericht mit der Aussage, dass 60 Prozent der 67 Millionen Franzosen im bevorstehen Winter 2021/22, ganz gleich, wie kalt er werde, ihren Energieverbrauch drastisch einschränken müssten – und zwar allein aus finanziellen Gründen.

Ein Blick über die deutschen Grenzen ist das eine. Doch wie sieht es hier bei uns in Deutschland mit dem Nicht-Heizen-Können der Menschen aus? Laut dem Statistischem Bundesamt (Destatis) hätten es sich im Jahr 2019 rund zwei Millionen Deutsche nicht leisten können, ihre Wohnung zu heizen, das entspreche etwa 2,5 Prozent der Bevölkerung. Medien wie die MOPO online berichteten dazu, dass diese Quote zuletzt gesunken sei. Laut Destatis habe sie 2009 noch bei 5,5 Prozent der Bevölkerung gelegen.

Im europäischen Vergleich stehe Deutschland damit noch gut da, schreibt die MOPO in ihrer Onlineausgabe weiter: Die Quote derjenigen, die Nicht-Heizen-Können, liege in Bulgarien bei 30,1 Prozent, in Litauen bei 26,7 Prozent und in Zypern bei 21 Prozent. Am wenigsten betroffen seien demnach Schweden, Österreich und Finnland mit jeweils knapp zwei Prozent Menschen, die nicht heizen könnten.

Besonders hart betroffen seien hierzulande Alleinstehende vom Nicht-Heizen-Können. 4,8 Prozent der Haushalte von Alleinstehenden seien kalt blieben. Bei den Alleinerziehenden seien es sogar sieben Prozent gewesen.

Die anhaltende Corona-Pandemie dürfte diese Zustände verschärfen. Dazu müsse man wissen, dass die hierzulande greifende Grundsicherung zwar angemessene Kosten übernehme, viele Betroffene diese aber – aus Scham oder anderen Gründen – nicht beantragen würden, heißt es im MOPO-Bericht weiter.

Foto: Lucas1989/photocase