UNEP Zukunft

Warum ist uns die Gegenwart wichtiger als die Zukunft?

Veröffentlicht von

Mit der Gewissheit, dass wir heute das Morgen kreieren, bleibt angsichts der aktuellen Medienberichterstattung zum jüngsten Bericht des UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (auf Englisch. “United Nations Environment Programme”) nur noch das Kopfschütteln. Denn wir wissen, was wir tun. Wir wissen, was unser gegenwärtiges Tun in der Zukunft bringt. Und dennoch tun wir weiter. Und weiter. Als wäre die Gegenwart wichtiger als die Zukunft. Warum?

Der Klimawandel und seine Folgen sind Gegenwart

Der Klimawandel ist keine Sache, die in der Zukunft stattfindet. Er ist gegenwärtig. Weltweit. Seine Folgen sind nicht zukünftig, sondern gegenwärtig. Weltweit. Die größte denkbare Bedrohung für die Weltbevölkerung ist damit keine Zukunftsvorstellung, sondern reale Gegenwart.

Wer das erkennt und Schlimmstes verhindern will, der kommt nicht umhin, sein Handeln heute so auszurichten, dass uns die Klimakatastrophe und ihre katastrophalen Folgen so glimpflich wie möglich treffen.

Übel ist’s, übler wird’s – so viel ist sicher.

Doch wenn heute alle alles daran täten, ihr Handeln umzustellen, dann bliebe uns das größte Übel wohl erspart.

Verwerflich am Nichtstun, Nochnichtstun, Nichtschnellgenugtun und Nichtvielgenugtun ist, dass wir wissen, was zu tun ist, um uns dem Klimawandel mit all unserer Menschenkraft entgegenzustellen. Kein Argument der heute Erwachsenen rechtfertigt gegenüber denen, die heute  jung oder noch ungeboren sind, den Kampf gegen den Klimawandel nicht mit voller Kraft zu führen. Es sei denn, den heute Erwachsenen ist die Zukunft der nachfolgenden Generationen egal.

Noch verwerflicher ist, dass die internationale Staatengemeinschaft seit dem Jahr 2015 einen Plan hat, wie alle Staaten – vereint in den Vereinten Nationen (auf Englisch: “United Nations”) – dem Klimawandel Einhalt gebieten. Der Plan hat konkrete Ziele, das Wichtigste ist die Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Temperaturniveau. Zudem haben die Staaten sich nationale Pläne aufgestellt.

Fossile Brennstoffe sind von gestern

Der Plan von Paris zum Begrenzen der Erderhitzung ist wissenschaftlich fundiert. Er hat das Zeug, aufzugehen.

Wären da nicht die ewig Gestrigen, die ihn zunichte machen: mit ihrer Nichtbereitschaft, auf Profite zu verzichten. Profite, die auf Technologien basieren, die – und das muss an dieser Stelle ganz klar gesagt werden – einst vielversprechende Zukunftsmusik waren und bis heute gegenwärtig sind, um Profit zu machen. Zu Lasten der Gegenwart. Zu Lasten der Zukunft. Doch die Menschheit lernt stetig dazu. Und sie hat das Potential, Gelerntes als Antrieb für Veränderungen zu nutzen.

Der Griff zu den fossilen Brennstoffen Kohle, Erdgas und Erdöl ist eine Lösung von Gestern. Sie hat keine Zukunft, wenn die Zukunft uns wichtig ist. Wer an Fossilen festhält, hat keine Hand frei, den Klimawandel einzudämmen. Er wird scheitern.

Scheitern nach Plan: Die fossile Produktionslücke

Und dennoch wird gegenwärtig weltweit die Förderung der Fossilen in einem erschreckenden Ausmaß geplant – weit in die Zukuft hinaus.

Das berichtet das UNEP in Zusammenarbeit mit führenden Forschungsinstituten von Universitäten und mit sogenannten Thinktanks (Denkfabriken). Dem aktuellen Bericht “Production Gap Report” zufolge liegt die von den Staaten geplante Produktion fossiler Energieträger für 2030 bei mehr als dem Doppelten dessen, was mit dem im Pariser Klimaabkommen vereinbarten 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre. Das ist auf der Internetseite der Nachrichtensendung Tagesschau zu lesen. UNEP macht demnach immer wieder in Berichten auf Lücken (“Gaps”) beim Kampf gegen den Klimawandel aufmerksam.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

  • Die Produktion von Kohle wird laut UNEP weltweit noch bis zum Jahr 2030 ansteigen.
  • Die Fördermengen von Öl und Gas werden demnach sogar noch bis mindestens zum Jahr 2050 ansteigen.

Die Pläne der Regierungen, die Produktion fossiler Brennstoffe auszuweiten, würden die Energiewende untergraben. Doch die sei notwendig, um Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Somit würden die Pläne wirtschaftliche Risiken verursachen und die Zukunft der Menschheit infrage stellen. Das sagte die UNEP-Direktorin Inger Andersen.

Um den im Klimaabkommen von Paris 2015 vertraglich festgeschriebenen Plan zur Begrenzung der Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu verwirklichen, darf nur noch eine begrenzte Menge klimaschädlicher Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) in die Erdatmosphäre gelangen. Treibhausgase werden großteils beim Verfeuern der Brennstoffe Öl, Erdgas und Kohle freigesetzt.

Insgesamt haben UNEP & Co. in dem Bericht 20 Staaten untersucht, die zusammen einen Großteil von Kohle, Öl und Erdgas fördern und konsumieren. Keiner dieser Staaten hat sich demnach komplett zu einer Beschränkung der Produktionsmengen in dem Umfang verpflichtet, der für das 1,5-Grad-Ziel nötig wäre.

Deutschland ist einer dieser Staaten.

Deutschland fördert laut dem Tagesschaubericht viel Kohle und kauft viel Gas. Es ist weltweit der zweitgrößte Produzent von Braunkohle und zwölftgrößte Produzent von Kohle insgesamt.

Aber: Es sei laut UNEP davon auszugehen, dass sich der deutsche Ausstieg aus dem Kohlestrom bis spätestens zum Jahr 2038 und der von der deutschen Regierung angestrebte Anteil von 80 Prozent Erneuerbarer Energien bis 2030 entsprechend auswirke.

Noch ein Aber: Das Abschließen von Lieferverträgen für Gas und der Bau von LNG-Terminals fördert indirekt die internationale Gasproduktion, weil die Deutschen damit langfristige Nachfragen signalisieren, erklärt UNEP.

Scheitern nach Plan: Die Finanzierungslücke beim Anpassen

UNEP warnt zudem vor Finanzierungslücken beim Anpassen an den Klimawandel und an seine Folgen. Das berichtet die Wochenzeitschrift Focus. Die Weltgemeinschaft müsse ihre

  • Treibhausgasemissionen senken
  • und Maßnahmen zum Schutz von Menschen in besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffenen Gebieten vorantreiben.

Das forderte die UNEP-Direktorin Inger Andersen. Zugleich beklagte sie, dass nichts davon geschehe. Stattdessen sei die Welt „unterfinanziert und unvorbereitet“. Andersen forderte politische Entscheider auf, auf dem anstehenden Klimagipfel COP28 passende Finanzzusagen an  einkommensschwache Länder und benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu treffen, um diese vor den Folgen der Klimaveränderungen zu schützen. Denn auch das laufende Jahr sei Andersen zufolge von globalen und regionalen Temperaturrekorden, Hitzewellen, Überschwemmungen und Stürmen geprägt.

Eine Milliarde investiert, 14 Milliarden gespart

Die betroffenen Länder müssten ihre Anpassung an den Klimawandel und seine Folgen mit Tempo vorantreiben. Doch UNEP berichtet, dass das Gegenteil der Fall sei. Insbesondere in unterentwickelten Ländern sei der finanzielle Bedarf 10 bis 18 mal höher als die tatsächlich dort ankommenden Gelder.

UNEP rechnet vor, dass sich mit einer smarten Politik der Klimafolgenanpassung Milliarden Dollar sparen ließen:

Jede Milliarde Dollar, die in den Schutz von Küstenregionen gegen Fluten und den steigenden Meeresspiegel gesteckt werde, spare demnach auf lange Frist 14 Milliarden Dollar an wirtschaftlichen Schäden.

Wohlbemerkt: Extra Unkosten, zum Beispiel Entschädigungszahlungen reicher Länder an den globalen Süden, seien in der Rechnung von UNEP noch nicht einmal nicht brücksichtigt.

Die Industriestaaten hätten sich dazu verpflichtet, so ist im Focus weiter zu lesen, pro Jahr 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen in einem Fond zur Verfügung zu stellen. Das Geld soll international gegen den Klimawandel eingesetzt werden. Doch gleichwohl diese Vereinbarung bereits ab dem Jahr 2020 umgesetzt werden sollte, rechnet der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erstmals fürs laufende Jahr damit.

Dieser Fond soll Entwicklungsländer beim Anpassen an den Klimawandel und Aufbau einer klimafreundlicheren Wirtschaft unterstützen. Er stelle dem Focus zufole Zuschüsse, Kredite, Garantien und Eigenkapital bereit und bemühe sich zudem um die Mobilisierung von Privatkapital.

Insgesamt habe die Finanzierungslücke laut UNEP eine Größe von 199 bis 366 Milliarden Dollar im Jahr. Und trotz der Versprechen auf der COP26 in Glasgow seien im Jahr 2021 nur 21 Milliarden Dollar an unterentwickelte Länder gezahlt worden. Das sei ein Minus von 15 Prozent. Zugleich seien neue Anpassungsprojekte mit weniger Tempo geplant worden.

Der UNEP-Bericht verweist laut Focus auf eine Untersuchung, nach deren Schätzungen die Wirtschaften der 55 besonders empfindlich auf den Klimawandel reagierenden Länder in den vergangenen 20 Jahren Schäden und Verluste in Höhe von mehr als 500 Milliarden Dollar erlitten hätten.

Grafik: DoreenBrumme