WEF-Risikobericht 2023

WEF-Risikobericht 2023: Die Welt steht vor dem ökologischen Zusammenbruch

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Alljährlich veröffentlicht das Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum, WEF) einen Risikobericht zur Lage der Welt: den “World Risks Report”. In diesem Jahr zeichnet der Bericht ein düsteres Bild. Demnach sei die aktuelle Krise der Lebenshaltungskosten das größte kurzfristige Risiko für die Welt, während ein Scheitern des Klimaschutzes und der Klimaanpassung die größten langfristigen Risiken darstellen würden. Geopolitische Rivalitäten und eine nach innen gerichtete Haltung würden die wirtschaftlichen Zwänge verschärfen und sowohl kurz- als auch langfristige Risiken weiter verschlimmern. Deshalb fordert der WEF-Risikobericht 2023 die Weltstaaten auf, zusammenzuarbeiten, um “Ressourcenrivalitäten” zu vermeiden.

Der WEF-Risikobericht 2023, der vergangene Woche in London vorgestellt wurde,  stütze sich laut der zugehörigen Pressemitteilung des WEF auf die Ansichten von über 1.200 Risiko-Experten, politischen Entscheidungsträgern und Branchenführern.

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WEF-Risikobericht 2023: Die aktuellen Risiken

Demnach warne das WEF seit 17 Jahren mit seinen Risikoberichten vor den eng miteinander verknüpften globalen Risiken. Laut dem WEF-Risikobericht 2023 hätten Konflikte und geoökonomische Spannungen eine Reihe von eng miteinander verknüpften globalen Risiken ausgelöst. Dazu zählten

  • Engpässe bei der Energie- und Nahrungsmittelversorgung, die in den nächsten zwei Jahren wahrscheinlich anhalten würden ebeso
  • wie ein starker Anstieg der Lebenshaltungskosten und des Schuldendienstes.

Zugleich bestünde Gefahr, dass diese Krisen die Bemühungen zur Bewältigung längerfristiger Risiken, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel, der biologischen Vielfalt (Artnevielfalt, Biodiversität) und Investitionen in das Humankapital, untergraben würden.

Laut dem WEF-Risikobericht 2023 schließe sich das Zeitfenster für Maßnahmen gegen die schwerwiegendsten langfristigen Bedrohungen rasch. Deshalb seien kollektive Maßnahmen erforderlich, bevor die Risiken einen Kipppunkt erreichten.

Der WEF-Risikobericht 2023, der in Zusammenarbeit mit Marsh McLennan und der Zurich Insurance Group erstellt worden sei, zeichne über drei Zeiträume hinweg ein Bild der globalen Risikolandschaft, das sowohl neu als auch unheimlich vertraut sei, da die Welt mit vielen bereits existierenden Risiken konfrontiert sei, die zuvor zurückgedrängt schienen.

Gegenwärtig hätten die globale Pandemie und der Krieg in Europa Energie-, Inflations-, Nahrungsmittel- und Sicherheitskrisen wieder in den Vordergrund gerückt. Daraus ergäben sich Folgerisiken, die die nächsten zwei Jahre dominieren würden:

  • das Risiko einer Rezession,
  • eine wachsende Verschuldung,
  • eine anhaltende Krise der Lebenshaltungskosten,
  • polarisierte Gesellschaften, die von Desinformation und Fehlinformationen begünstigt würden,
  • ein Stillstand bei raschen Klimaschutzmaßnahmen
  • und ein geoökonomischer Nullsummen-Krieg.

Ohne Gegenmaßnahmen steht in 10 Jahren der ökologische Zusammenbruch bevor

Beginne die Welt nicht damit, bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an den Klimawandel wirksamer zusammenzuarbeiten, werde dies in den nächsten zehn Jahren zu einer fortgesetzten globalen Erwärmung und einem ökologischen Zusammenbruch führen.

Wenn es nicht gelänge, den Klimawandel einzudämmen und sich an ihn anzupassen, würden Naturkatastrophen, der Verlust der biologischen Vielfalt und die Umweltzerstörung fünf der zehn größten Risiken darstellen – wobei der Verlust der biologischen Vielfalt als eines der sich am schnellsten verschlechternden globalen Risiken in den nächsten zehn Jahren gelte. Parallel dazu bestünde laut dem WEF-Risikobericht 2023 die Gefahr, dass krisenbedingte Führungsqualitäten und geopolitische Rivalitäten zu einer noch nie dagewesenen gesellschaftlichen Notlage führen würden, da Investitionen in Gesundheit, Bildung und wirtschaftliche Entwicklung verschwänden und der soziale Zusammenhalt weiter untergraben würde. Schließlich würden die zunehmenden Rivalitäten nicht nur die Gefahr einer zunehmenden geoökonomischen Bewaffnung bergen, sondern auch einer Remilitarisierung, insbesonderewegen neuer Technologien und schurkischer Akteure.

In den kommenden Jahren würden die Regierungen mit schwierigen Abwägungen konfrontiert sein, wenn sie konkurrierende Anliegen der Gesellschaft, der Umwelt und der Sicherheit berücksichtigen müssen. Schon jetzt würden dem WEF-Risikobericht 2023 zufolge kurzfristige geoökonomische Risiken die Netto-Null-Verpflichtungen auf die Probe stellen und hätten eine Kluft zwischen dem wissenschaftlich Notwendigen und dem politisch Vertretbaren aufgedeckt. Um die Folgen einer sich erwärmenden Welt zu begrenzen, seien drastisch beschleunigte kollektive Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise erforderlich. In der Zwischenzeit könnten Sicherheitserwägungen und steigende Militärausgaben den fiskalischen Spielraum zur Abfederung der Auswirkungen einer länger andauernden Lebenskostenkrise verringern. Ohne einen Kurswechsel könnten die anfälligen Länder in eine Dauerkrise geraten, in der sie nicht mehr in künftiges Wachstum, menschliche Entwicklung und grüne Technologien investieren können.

Der WEF-Risikobericht 2023 fordert die Staats- und Regierungschefs zu kollektivem und entschlossenem Handeln auf, wobei kurz- und langfristige Perspektiven abzuwägen seien. Neben dringenden und koordinierten Klimaschutzmaßnahmen empfiehlt der WEF-Risikobericht 2023

  • gemeinsame Anstrengungen zwischen den Ländern
  • sowie eine öffentlich-private Zusammenarbeit zur Stärkung der Finanzstabilität, der Technologiepolitik, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Investitionen in Forschung, Wissenschaft, Bildung und Gesundheit.

Die kurzfristige Risikolandschaft werde von Energie, Nahrungsmitteln, Schulden und Katastrophen beherrscht. Diejenigen, die ohnehin schon am meisten gefährdet seien, würden leiden – und angesichts zahlreicher Krisen nehme die Zahl derer, die als gefährdet gelten, rapide zu, sowohl in den reichen als auch in den armen Ländern. In dieser bereits toxischen Mischung bekannter und steigender globaler Risiken könnte ein neues Schockereignis – von einem neuen militärischen Konflikt bis hin zu einem neuen Virus – unbeherrschbar werden. Das Klima und die menschliche Entwicklung müssten daher im Mittelpunkt der Überlegungen der führenden Politiker der Welt stehen, um die Widerstandsfähigkeit gegen künftige Schocks zu stärken. Das fordert Saadia Zahidi, die Geschäftsführerin des Weltwirtschaftsforums gegenüber der Presse.

John Scott, Head of Sustainability Risk, Zurich Insurance Group, sagte, dass die Wechselwirkung zwischen den Auswirkungen des Klimawandels, dem Verlust der Artenvielfalt, der Ernährungssicherheit und dem Verbrauch natürlicher Ressourcen ein gefährlicher Cocktail sei. Ohne signifikante politische Veränderungen oder Investitionen werde diese Mischung den Zusammenbruch von Ökosystemen beschleunigen, die Nahrungsmittelversorgung bedrohen, die Auswirkungen von Naturkatastrophen verstärken und weitere Fortschritte beim Klimaschutz begrenzen. Wenn wir unsere Maßnahmen beschleunigten, bestünde immer noch die Möglichkeit, bis zum Ende des Jahrzehnts eine Erwärmung um nur 1,5 °C zu erreichen und den Naturnotstand zu bekämpfen. Die jüngsten Fortschritte bei der Einführung von Technologien für erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge stimmten zuversichtlich.

Schwierigste geoökonomische Lage seit einer Generation erschwert Entschärfung langfristiger Risiken

Carolina Klint, Risk Management Leader, Kontinentaleuropa, Marsh, sagte, dass das Jahr 2023 von erhöhten Risiken in den Bereichen Lebensmittel, Energie, Rohstoffe und Cybersicherheit gekennzeichnet sei, die zu weiteren Störungen der globalen Lieferketten führen und Investitionsentscheidungen beeinflussen würden. Zu einem Zeitpunkt, an dem Länder und Organisationen ihre Bemühungen um Widerstandsfähigkeit verstärken sollten, werde der wirtschaftliche Gegenwind ihre Möglichkeiten dazu einschränken. Angesichts der schwierigsten geoökonomischen Bedingungen seit einer Generation sollten sich die Unternehmen nicht nur auf die Bewältigung kurzfristiger Probleme konzentrieren, sondern auch Strategien entwickeln, die sie für längerfristige Risiken und strukturelle Veränderungen gut positionieren würden.

WEF-Risikobericht 2023: Steht eine Polykrise bevor?

Der WEF-Risikobericht sei nach Angaben des WEF eine Säule der Global Risks Initiative des Forums, die sich für ein besseres gemeinsames Verständnis kurz-, mittel- und langfristiger globaler Risiken einsetze, um Lernen in Bezug auf Risikovorsorge und Widerstandsfähigkeit zu ermöglichen. Der WEF-Risikobericht 2023 untersuche auch, wie gegenwärtige und künftige Risiken miteinander interagieren könnten, um eine “Polykrise” zu bilden – ein Bündel miteinander verbundener globaler Risiken mit sich verstärkenden Auswirkungen und unvorhersehbaren Folgen. Der Bericht untersuche die “Ressourcenrivalität”, ein potenzielles Bündel miteinander verbundener ökologischer, geopolitischer und sozioökonomischer Risiken im Zusammenhang mit dem Angebot an und der Nachfrage nach natürlichen Ressourcen wie Nahrungsmitteln, Wasser und Energie.

Grafiken: WEF-Risikobericht 2023