Eva Hauser

Eva Hauser über Energiemärkte, Heizen mit Photovoltaik und Thermosensibilität

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Energiemärkte: Das jeweils eingesparte oder erneuerbar erzeugte Prozent ist das wichtigste

Die Energiewende umfasst mehr als Verbraucherberatung zum Glühlampentausch oder den Streit um neue Stromtrassen. Sie ist eine langfristige Aufgabe, und geht dabei um Märkte und Menschen, um Stoffströme und Technologien. Das IZES Institut für ZukunftsEnergieSysteme deckt ein breites Themenspektrum ab – und das schon seit 1999. Deshalb freut es uns besonders, dass wir Eva Hauser vom IZES für ein Interview gewinnen konnten.

Frau Hauser, Sie sind beim IZES Institut für ZukunftsEnergieSysteme im Arbeitsfeld Energiemärkte tätig. Was genau ist das IZES, und worauf liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit?

Das IZES ist ein gemeinnütziges Forschungsinstitut mit Sitz in Saarbrücken und einer Geschäftsstelle in Berlin. Mit seiner Arbeit fördert es den Umwelt- und Klimaschutz, insbesondere durch die anwendungsnahe Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet von Zukunftstechnologien und Zukunftsmärkten für Energie- und Stoffstromsysteme. Im Vordergrund steht dabei stets die systemische Betrachtung energiewirtschaftlicher, stoffstromorientierter und energietechnischer Fragestellungen. Mein spezieller Fokus sind Fragen der Energiepolitik und die zukunftsfähige Gestaltung der Energiemärkte.

Stichwort fluktuierende Energieträger: Wie wirkt sich das wachsende Angebot an Strom aus erneuerbaren Energien, z.B. Wind und Sonne, auf den Strommarkt aus?

Die heutigen Teilmärkte des Stromsektors sind größtenteils grenzkostenbasiert. Das bedeutet, dass für den jeweiligen Lieferzeitraum (zumeist eine Stunde oder sogar Viertelstunde) genau die Kosten pro Megawattstunde geboten und gezahlt werden, die zur Bereitstellung dieser Megawattstunde nötig sind. Zu diesen Grenzkosten gehören die Brennstoffkosten, die CO2-Zertifikatekosten und die übrigen laufenden Kosten, die für diese Megawattstunde anfallen. Das zweite Merkmal der Preisbildung ist, dass es einen einheitlichen Markträumungspreis gibt. Im Day-ahead-Markt bekommen dann zu jeder Stunde alle Bieter den Preis, den das letzte, noch benötigte Kraftwerk erzielt, und alle Käufer zahlen diesen Preis. Brennnstofffreie Energieträger wie Wind und PV haben jedoch keine Grenzkosten. Dies senkt im Schnitt die Großhandelspreise. Prinzipiell soll – so die Intention bei der Einführung dieser Preisbildungsregeln – die Refinanzierung der Investition in Kraftwerke über die sog. Deckungsbeträge erfolgen, d.h. die Differenz zwischen den eigenen Grenzkosten und den Markträumungspreisen. Durch die sinkenden Großhandelspreise ist die Refinanzierung von Kraftwerksinvestitionen jedoch nicht mehr gewährleistet. Dies gilt für alle Arten von Kraftwerken, insbesondere für die Erneuerbaren, aber auch für effiziente Gaskraftwerke.

In den Sommermonaten wird nun teilweise schon zu viel PV-Strom produziert. Wie kann man mit diesem Überschuss umgehen? Sollten Privateigentümer z.B. versuchen, den Strom verstärkt selbst zu verbrauchen?

Das ‚Zuviel‘ ist eine Frage der Perspektive. Während der einzelne PV-Anlagenbesitzer häufig mehr produziert als er gerade selbst verbrauchen kann, sind die Situationen, in denen es mehr PV-Strom gibt als bundesweit benötigt wird, recht selten. Dies passiert zumeist an den Nachmittagsstunden von Feiertagen im Sommerhalbjahr, wenn die Sonne schön scheint, aber wenig Strom nachgefragt wird. Aus individueller Sicht besteht dann sicherlich ein Anreiz, viel von dem Strom, den man teurer einkauft als man ihn selbst vergütet bekommt, verbrauchen zu wollen. Wenn man aber deswegen mehr Strom verbraucht als man ohne eine PV-Anlage verbraucht hätte, steht dieser Strom dem öffentlichen Netz nicht mehr zur Verfügung. Da die anderen Verbraucher allerdings nicht weniger verbrauchen, bedeutet es, dass andere (konventionelle) Kraftwerke den Mehrverbrauch des PV-Anlagenbesitzers ausgleichen müssen. Daher ist es aus ganzheitlicher und ökologischer Sicht nicht ratsam, wegen einer PV-Anlage mehr Strom zu verbrauchen.

Einige Experten plädieren für das Heizen mit (erneuerbarem) Strom mittels Wärmepumpen. In dem Zusammenhang lese ich auch oft von “Thermosensibilität”. Können Sie das unseren Lesern und Leserinnen kurz erklären?

Wenn PV-Anlagenbesitzer mehr Strom verbrauchen, als sie ohne die PV-Anlagen verbraucht hätten, und anderweitig nicht weniger verbraucht wird, steigt der Stromverbrauch im gesamten Netz. Wenn der PV-Strom dann zum Heizen gebraucht wird, ist die Stromnachfrage umso höher, je kühler es draußen ist, denn die zum Heizen benötigte Energie steigt mit sinkender Außentemperatur an. Die sog. Thermosensibilität gibt dann an, wie viel Stromleistung pro Kelvin sinkender Außentemperatur zusätzlich verbraucht wird.

Tägliche Stromnachfrage in Abhängigkeit von der Temperatur (Juni 2012 – Mai 2013), Quelle: RTE
Tägliche Stromnachfrage in Abhängigkeit von der Temperatur (Juni 2012 – Mai 2013), Quelle: RTE

In Frankreich – mit seinem hohen Anteil an strombetriebenen Heizsystemen – kann man gut den Anstieg der benötigten Stromheizleistung bei sinkender Außentemperatur beobachten, wie man in der Grafik des französischen Übertragungsnetzbetreibers RTE sieht: Sobald die durchschnittliche Tagestemperatur unter 15°C sinkt, steigt die Stromnachfrage linear um jeweils 2.400 MW pro Kelvin an.

Wie können Wärme- und Stromversorgung sinnvoll kombiniert werden?

Strom ist eine hochwertige Energie, da sie in jede andere Energieform umgewandelt werden kann. Man kann damit z. B. Computer und Maschinen betreiben, Auto fahren, aber auch kühlen und Warmwasser erzeugen. Umgekehrt kann man mit Brauchwärme, die man zum Heizen oder fürs Warmwasser nutzt, die hochwertigen Anwendungen des Stroms (Auto, Computer, Maschinen) nicht betreiben. Daher sollte Strom grundsätzlich nicht als Heizenergie genutzt werden. Zur Brauchwärmeerzeugung stehen andere Erneuerbare Energieträger (z.B. KWK aus Biomasse, Solarthermie, und – als Ergänzung oder wo das nicht möglich ist – Erdwärmepumpen oder biomassebetriebene Heizkraftwerke oder Zentralheizungen) zur Verfügung. Diese Energieträger sollten prioritär genutzt und ausgebaut werden. Dies wäre zum heutigen Zeitpunkt ein weitaus wichtigerer Beitrag zum Gelingen der Energiewende im Wärmesektor als die Nutzung heute sehr selten und fluktuierend anfallender Stromüberschüsse.

Wie müssen die Energiemärkte der Zukunft aussehen, wenn die Energiewende gelingen soll?

Die Energiewende ist ein langer Prozess, und vermutlich ist stets das Prozent Energie, das man gerade einspart oder das durch Erneuerbare Energien statt durch fossil-nukleare Energien bereitgestellt wird, das jeweils wichtigste.

Heute wie in der Zukunft müssen die Energiemärkte dazu beitragen, dass sparsame Energieverwendung angereizt wird, das negative externe Effekte der Energienutzung vermieden oder ausreichend hoch bepreist werden und dass die Investition in eine ausreichende Anzahl von umweltfreundlichen Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen angereizt wird. Diese Herausforderungen müssen wir heute meistern, damit wir auch die nächsten Schritte der Energiewende in der Zukunft gehen können.

Danke für diese interessanten Einblicke in den Energiemarkt!

 

Foto: Eva Hauser

Grafik: Réseau de Transport d’Electricité (RTE), aus der Publikation Bilan Èlectrique 2013, Seite 12 (PDF-Datei)