Für Vermieter: Mehr­familien­haus in Obersulm-Sülzbach “lebt” von Solar

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Wir machen hier auf dem Blog immer wieder Platz für Solarthermie-Beispiele aus der Praxis. Wir tun das, weil wir finden, dass gute Beispiele Schule machen sollten.  Heute stelle ich euch ein Mehrfamilienhaus vor, das in Obersulm-Sülzbach steht. Das Magazin für die Wohnungswirtschaft „Immobilien vermieten & verwalten“ (IVV) hat das Projekt in seiner Ausgabe 3/2017 ausführlich beschrieben. Das Besondere an dem Haus sei demnach, dass es ohne Wärmepumpe und Lüftungsanlage auskomme, ihm aber ein großer Wassertank als Langzeitwärmespeicher diene.

Der Jahreswärmebedarf des Gebäudes in Obersulm-Sülzbach für Heizung und Warmwasser soll laut des IVV-Berichts zu mehr als der Hälfte von einer mehr als 75 Quadratmeter großen Solarthermie-Anlage gedeckt werden. Damit läge der solare Deckungsgrad bei mehr als 50 Prozent.

Photovoltaik-Module an den Balkonen sowie auf den Dächern der Garagen würden darüber hinaus jeder Wohneinheit einen großen Teil des benötigten Haushaltsstroms (Eigenbedarf inklusive Mobilität) liefern. Die Nennleistung der Module liege pro Wohnung bei 2.000 Kilowatt Peak (kWp).

Dank Solarthermie und Photovoltaik in einträchtiger Kombination kämen demnach auf die Bewohner des Mehrfamilienhauses langfristig nur sehr geringe Ausgaben für Wärme und Strom zu. Vermieter hätten dank eines solchen Gebäudekonzepts ein neues Vermietungsmodell, schreibt die IVV weiter, mit dem sie ihren Mietern über Jahre hinweg stabile Warmmieten zusichern könnten.

Die wichtigsten Fakten zum Haus – Bautafel

Objekt: Mehrfamilienhaus in Obersulm-Sülzbach mit 6 Wohneinheiten
Fertigstellung: voraussichtlich Ende 2017
Zu beheizende Fläche: 520 m², Jahresheizwärmebedarf (flächenbezogen): 32,27 kWh/a
Primärenergiebedarf: 30 kWh/m²a
Kollektorfläche: 75 m²
Speicher: 10.000 l, mehrstufige Be- und Entladung, Speichergröße (inkl. Isolierung): Durchmesser 2,02 m, Höhe 5,10 m
Solarer Deckungsgrad: (berechnet) ca. 50 Prozent
Heizsystem: 35 kW Gasbrennwertkessel
Brennstoffbedarf: (berechnet) 18.860 kWh
Energiestandard: KfW Effizienzhaus 55

Das Mauerwerk des Mehrfamilienhauses sei in einschaliger Ziegelbauweise errichtet worden. Dazu seien monolithische Ziegelwände mit mineralischer Perlite-Füllung zum Einsatz gekommen, weshalb auf zusätzliche kostenintensive Dämmschichten verzichtet werden konnte. Der einschalige Aufbau der Ziegelwände entspreche den erforderlichen Schall- und Brandschutzwerten für den Wohnungsbau. Die Speicherfähigkeit des Materials sorgte für ein angenehmes Raumklima.

Sonne wird zur wichtigsten Energiequelle des Mehrfamilienhauses in Obersulm-Sülzbach

Mit Solarwärme und Solarstrom werde die Sonne laut IVV bei diesem Gebäudekonzept zum Energielieferanten Nummer eins, wobei die Solarthermie-Anlage das Herzstück des Heizkonzepts sei. Über die Solarthermie sagt die IVV, dass sie die Sonnenwärme direkt, also ohne vorherige Umwandlung in Strom, nutze. Sie sei die mit Abstand natürlichste und nachhaltigste Form der Wärmeerzeugung, da sie Energieangebot (Sonne) und -nachfrage (Verbrauch) zusammenbringe. Dies geschehe mit dem Langzeitwärmespeicher, der es ermögliche, die mit den Solarthermie-Kollektoren gewonnene Wärme über Wochen oder gar Monate – nämlich vom Spätsommer bis in die Heizperiode hinein – zu speichern und vorrätig zuhalten.

Die Solarthermie-Kollektoren seien demnach auf dem steil geneigten, nach Süden ausgerichteten Dach installiert und würden dort die Sonnenwärme sammeln. Bauherren und Vermieter müssten wissen, dass eine optimale Ausrichtung des Gebäudes und vor allem der Kollektorfläche zur Sonne wichtig sei, um deren Energie vor allem in den kälteren Jahreszeiten nutzen zu können. Es sei demzufolge von Vorteil, die Kollektoren steil anzustellen, weil die Kollektoren so auch die Strahlen der tief stehenden Wintersonne optimal einfangen würden. Zugleich bliebe der Schnee nicht darauf liegen; die Kollektoren seien auch bei Schneewetter frei und könnten Sonnenenergie sammeln.

Weil das Verhältnis der Dachfläche zur Wohnfläche in dem Mehrfamilienhaus geringer als zum Beispiel bei Einfamilienhäusern sei, hätten die Solarplaner einen Teil der Gebäudefassade für die Installation der Kollektoren genutzt.

Um den eingangs genannten und mit mehr als 50 Prozent recht hohen solaren Deckungsanteil zu realisieren, seien die Kollektorfläche und der Speicher dem Klimastandort entsprechend dimensioniert und aufeinander abgestimmt worden: In Obersulm-Sülzbach sei das Mehrfamilienwohnhaus mit seinen 520 Quadratmetern Wohnfläche mit mehr als 75 Quadratmetern Kollektorfläche und einem 10.000-Liter-Wärmespeicher ausgerüstet worden.

Langzeitspeicher sei das Herzstück der Heizungsanlage mit Solarthermie

Der zentrale Pufferspeicher sei mit seinem getankten Wasser dem IVV-Bericht zufolge in der Lage, die solar erzeugte Wärme über mehrere Wochen oder gar Monate für sonnenarme Tage vorzuhalten. Er sorge so für den Ausgleich zwischen Energieangebot und Nachfrage. Wie viel Energie der Tank speichern könne, das hänge einerseits von der Größe des Tanks und der darin befindlichen Wassermenge und andererseits von der nutzbaren Temperaturdifferenz ab.

Bei Bedarf gebe der Speicher die Wärme bevorzugt über Flächenheizungen in Wänden und Fußböden an die Wohnräume ab, die die Wärme besonders gleichmäßig verteilen würden. Verglichen mit herkömmlichen Heizkörpern bräuchten die Flächenheizungen geringe Vorlauftemperaturen, was laut IVV die optimale Ausbeute der Solarwärme begründe.

Reiche die Kraft der Sonne in den kältesten und sonnenärmsten Monaten nicht aus, komme im Falle des Mehrfamilienhauses in Obersulm-Sülzbach als Zusatzheizung ein Gasbrennwert-Kessel zum Einsatz, der die restliche Energie liefere. Die Kosten für den zusätzlich benötigten Brennstoff lägen laut IVV-Bericht derzeit jährlich bei lediglich 1.000 Euro für das gesamte Haus mit sechs Wohnungen.

Solarthermie-Technik ist nicht kompliziert

Wer befürchte, dass die modernen Energietechniken Solarthermie & Co. aufwendige Steuerungstechnik bräuchten, den klärt das IVV-Magazin auf: In dem Mehrfamilienhaus visualisiere ein Bildschirm die Temperaturverläufe, darunter die Kollektor- und Speichertemperatur. Mit Blick auf den Monitor könnten sich die Bewohner einen Eindruck ihrer solaren Energieerträge verschaffen

Kosten des Mehrfamilienhauses mit Solarthermie & Co.

Für eine Wohnung mit 3,5 Zimmern und 77 Quadratmetern Wohnfläche ergäben sich rund 140 Euro Energiekosten für Heizung und Warmwasser pro Jahr. Bei einer Wärmepumpe beliefe sich dieser Betrag dagegen auf 460 Euro, sagt Rainer Körner, Geschäftsführer der KHB-Creativ Wohnbau GmbH, der IVV, der das Mehrfamilienhaus geplant habe und es auch umsetze.

Der Kaufpreis entspreche dem vergleichbarer Wohnungen in der Region, sodass sie zu ortsüblichen Mieten angeboten werden könnten. Kapitalanleger würden zudem den Vorteil der Wertsteigerung der Immobilie selbst genießen können.

Vorteile für Vermieter und Mieter

Das IVV-Magazin schreibt weiter, dass die Solartechnik in der Energiewirtschaft Kunden zu Produzenten mache und insbesondere der Wohnungswirtschaft neue Geschäftsfelder eröffne.

Demnach sei es hierzulande üblich, die Höhe der Kaltmiete im Mietvertrag fest zu vereinbaren. Die Nebenkosten hingegen würden von unterschiedlichen Faktoren abhängen und mit den Rohstoffpreisen zumeist stetig und deutlich steigen. Das mache die Kosten fürs Wohnen unvorhersehbar. Anders sei das beim Mehrfamilienhaus in Obersulm-Sülzbach, das seinen jährlichen Bedarf an Heizung und Warmwasser größtenteils mittels Sonnenwärme decke. Deshalb und weil die Photovoltaik-Anlage Anteile des Haushaltsstroms für den Eigenbedarf liefere, seien die Nebenkosten nicht nur vorhersehbar, sondern auch gering.

Vermieter könnten demzufolge einen wesentlichen Teil der Kosten für Wärme und Strom in die Kaltmiete einrechnen und ihren Mietern so über Jahre hinweg stabile Mieten garantieren.

Solche auch „All-inclusive-Mieten“ oder „Flatrate-Mieten“ genannten Mieten würden laut IVV-Bericht die Mieter über einen langen Zeitraum vor stetig wachsenden Nebenkosten schützen. Das wiederum hätte längere Verweildauern in den Wohnungen zur Folge – ein steter Mieterwechsel und der damit verbundene Aufwand würden entfallen.

Ein großer Vorteil des Mehrfamilienhauses sei auch die Einfachheit seiner Technik. Sie erspare Mietern nämlich die Umlagen hoher Wartungs- und Folgekosten für die Heizanlage, heißt es in der IVV weiter.

Sonnenenergie ist förderwürdige Energie

Rainer Körner weist in der IVV daraufhin, dass Bauherren „für energieoptimierte Gebäude, wie dieses … mit einer staatlichen Förderung rechnen“ könnten. Unter Berücksichtigung der derzeit erhältlichen Fördermittel belaufe sich die Mehrinvestition für die solare Energietechnik Körner zufolge auf etwa 50 Euro netto pro Quadratmeter Wohnfläche. Die Nebenkosten seien deutlich niedriger als bei einer Wärmepumpe.

Foto: Ritter XL Solar