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Generationswechsel im SHK-Handwerk: Wenn Vater, Mutter und Kinder zu Geschäftspartner:innen werden

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Laut dem Informationsdienst (iwd) des Instituts der deutschen Wirtschaft (iw) waren im Zeitraum Juli 2023 bis Juni 2024 im Handwerk bundesweit gut eine Viertel Million (226.000) Stellen unbesetzt, während nur etwas mehr als eine Achtel Million (135.000) Handwerker:innen ohne Job waren. Nach der Bauelektrik und der Kraftfahrzeugtechnik fehlen die meisten Fachkräfte demnach in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Unsere Partnerhandwerksbetriebe – das sind mehrere Hundert deutschlandweit – kennen das Nachwuchsproblem ihrer Branche. Manche haben es bereits gelöst – zum Beispiel Familie Wurster von unserem Partnerbetrieb Janssen in Heidelberg. Im Interview schildern Stefanie (56), Wolfgang (57), Sophia (29) und Luca (26) Wurster, wie sie den Generationswechsel im SHK-Handwerk vollziehen, welche Herausforderungen das mit sich bringt und wie sie diese meistern.

Generationswechsel_Handwerk_Paradigma_Wurster_Torte
Bestes Backhandwerk trifft auf die SHK-Handwerksfamilie Wurster: Die Torte wurde von der Frau eines Teammitglieds gebacken.

Sophia, wie landeten Sie im Familienbetrieb?

Über Umwege. Ich hatte anfangs gar nicht den Wunsch, in den Familienbetrieb mit einzusteigen. Ich hatte ein Bild von diesem Job im Kopf, das nicht dem entsprach, was ich mir für meine berufliche Zukunft vorstellte. Ich bin ein sehr kommunikativer, sozialer und auch hibbeliger Mensch und sah mich nicht stundenlang im Büro sitzen. Ich dachte, ich würde dort vor Langeweile eingehen.

Also habe ich eine Lehre zur Erzieherin gemacht. Als ich die abgeschlossen hatte, war mir aber schon klar geworden – dass das nicht meine Zukunft sein wird. Ich habe dann erstmal eine kleine Weltreise gemacht. Dies habe ich mir mit „work and travel“ alles selbst finanziert und begann im Jahr 2019, Business Management und Unternehmensführung zu studieren. Als Werkstudentin stieg ich in unseren Betrieb ein, um praktische Erfahrungen zu sammeln – und bin hier hängengeblieben. Seit 2021 bin ich in Vollzeit im Betrieb. Ich habe rasch festgestellt, dass ich gar nicht so viel auf dem Hintern sitze, wie einst gedacht. Die Entscheidung habe ich nie bereut, im Gegenteil: Als Angestellte hätte ich nicht die Freiheiten, wie ich sie aktuell habe. Hier kann ich meinen Arbeitsalltag selbst gestalten, habe Mitspracherecht und trage Entscheidungen mit. Ich habe eine Straßenhündin aus Rumänien aufgenommen, mein Job erlaubt mir, mich um sie zu kümmern – das ist eine Freiheit, die ich als Angestellte wohl kaum hätte und die ich sehr genieße.

Was mir im Kindergarten im Zusammensein mit den Kindern gefehlt hatte – der Austausch auf Augenhöhe mit anderen erwachsenen Menschen – das fand ich hier als Personalmanagerin. Ich stehe täglich in engem Kontakt mit unserem 30-köpfigen Team. Zudem assistiere ich meinem Vater und meinem Bruder Luca in der Projektplanung und perspektivisch werde ich die Buchhaltung übernehmen.

Und da ich auch die Badberatung verantworte, habe ich auch sehr guten Kontakt zu unserer Kundschaft. Hier ist auch eine Schnittstelle zu meinem Vater und Luca, denn während ich eher den kreativen Part mit den Kundinnen und Kunden verantworte, müssen die beiden schauen, ob sich das Gewünschte auch technisch umsetzen lässt.

Paradigma Solarthermieanlage - ein Projekt von Familie Wurster
EIn Platz in der Sonne: Eine unserer Paradigma Solarthermieanlagen – montiert von unserer Partner-Handwerksfamilie Wurster – Janssen Bad & Heizung GmbH & Co KG in Heidelberg.

Und wie war Ihr Weg in den elterlichen Betrieb, Luca?

Für mich stand schon im Kindergarten fest: „Ich will mal Chef werden“. Das hat bei vielen nur ein Lächeln verursacht, aber für mich war das klar. Die finale Entscheidung traf ich im Jahr 2015 nach meinem Realschulabschluss. Ich wollte damals auf ein technisches Gymnasium, bewarb mich und hatte sogar schon mehrere Zusagen in der Tasche. Kurz bevor es losgehen sollte, änderte ich meine Meinung. Ich sah mich einfach nicht noch länger in der Schule. Ich ging zu meinen Eltern und sagte, dass ich einen Ausbildungsplatz in unserem Betrieb wollte. Im Jahr 2018 hatte ich die Ausbildung zum Anlagenmechaniker SHK erfolgreich abgeschlossen. Ich arbeitete dann ein Jahr lang voll im Betrieb und fing recht schnell eine Ausbildung zum Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechniker an. Diese schloss ich im Jahr 2021 als staatlich geprüfter Techniker ab. Seitdem bin ich voll in unserem Betrieb.

Ich leite zusammen mit meinem Vater unsere Projekte. Das heißt, ich sitze viel am Rechner plane, schreibe Rechnungen und erstelle Angebote. Ich bin auch gerne auf unseren Baustellen zugange, schaue dort nach dem Rechten.

Sophia, Luca – wie war es für Sie beide, als Tochter beziehungsweise Sohn von Chefin und Chef im Betrieb Fuß zu fassen?

Luca: In der Ausbildung kursierte der Rat, bloß nicht im elterlichen Betrieb anzufangen … Ich hatte damit kein Problem. Ich kannte den Betrieb von klein auf an, war nach dem Kindergarten und der Schule dort, verbrachte Zeit mit unseren Leuten. Als ich dann als Auszubildender (Azubi) anfing, hatte ich keinen Bonus, weil ich der Sohn von der Chefin und dem Chef war. Eher war’s andersrum: Ich wurde doppelt so hart rangenommen. Ich fühlte mich weder bevorzugt noch privilegiert, sondern von Anfang an ernstgenommen wegen dem, was ich weiß und kann.

Stefanie: Dazu trug mit Sicherheit bei, dass Luca so jung schon den Heizungs-, Lüftungs- und Klima-Techniker und gleichzeitig den Meister gemacht hatte – das war schon was ganz Besonderes.

Luca: Wenn es mal Situationen gab, dass man mich nicht ernst nahm, dann eher im Kontakt mit Fachleuten von außen. Wenn das selbst alte Hasen in ihrem Bereich sind, dann guckten die anfangs schon mal über meine Schulter und hielten nach meinem Vater Ausschau. Es gab auch ein, zwei Versuche, uns gegeneinander auszuspielen, indem eine Absprache, die mit mir getroffen worden war, im Gespräch mit meinem Vater anders dargestellt wurde.

Wolfgang, unser „Handwerker des Monats Oktober 2023“: Aber dann ist es ja an mir, eine klare Grenze zu ziehen und zu sagen, dass das doch bereits mit meinem Sohn geklärt worden war.

Sophia: Für mich war es auch nicht das Tochtersein, dass im Vordergrund stand, als ich hier anfing. Vielmehr ging es bei mir darum, mich als Frau unter den vielen Männern im Betrieb zu behaupten.

Was ist Ihr Rezept dafür?

Sophia: Ich überzeuge mit meiner Arbeit – zeige, dass ich mir für nix zu schade bin und auch kein Blatt vor den Mund nehme. Im Umgang mit den vielen Männern im Team merkte ich schnell, dass mich klare Worte am ehesten voranbringen. Ich spreche die Dinge, die gesagt werden müssen, also direkt an. Und wenn ich mal nicht weiterkomme, dann hilft mir mein Humor. Damit lassen sich auch die harten Nüsse knacken. Und für den Fall der Fälle haben wir einen Kummerkasten, wo jede:r ihr:sein Herz ausschütten kann.

Stefanie, Wolfgang – wenn Sie Ihren Nachwuchs tagtäglich im Betrieb oder auch wie hier gerade in unserem Gespräch erleben, was geht Ihnen da durch den Kopf?

Stefanie: Ich bin sehr stolz auf unsere beiden. Ich habe ein gutes Gefühl dabei, unseren Betrieb in ihre Hände zu übergeben, denn ich erlebe im täglichen, bislang noch viel gemeinsamen Arbeiten, dass sie den Betrieb im gleichen Geist weiterführen werden. Dieses gute Gefühl entgeht denen, die ihren Betrieb aus Mangel an eigenem Nachwuchs an Fremde übergeben müssen …

Mitunter fühlt es sich auch komisch an, in manche Dinge gar nicht mehr so involviert zu sein. Zu spüren, dass man plötzlich nicht mehr in der ersten Reihe steht – damit muss man umgehen lernen. Bis vor Kurzem habe ich alle gekannt, mit denen unser Betrieb zu tun hat, das ändert sich gerade …

Wolfgang Wurster bei der Installation einer unserer Paradigma Solarthermieanlagen.
Wolfgang Wurster bei der Installation einer unserer Paradigma Solarthermieanlagen.

Wolfgang: Ich fühle Stolz. Aber nicht nur den. Wenn ich sehe, wie Sophia und Luca, der teilweise von den gleichen Leuten ausgebildet wurde wie ich, das Ruder in die Hand nehmen, dann erfüllt mich das auch mit großer Befriedigung. Sie führen weiter, was wir aufgebaut haben. Natürlich gibt es auch mal Schwierigkeiten und Reibereien. Aber: Wir sind ein Familienbetrieb, wir führen ihn familiär. Unsere Mitarbeitenden sind für uns wie Familienmitglieder. Die sind uns ans Herz gewachsen. Das merkt man im Miteinander. Hier muss eine:r mit der:m anderen klarkommen. Uns war und ist immer wichtig, dass unser Betriebsklima auch mal Fehler erlaubt. Die müssen gemacht werden, um Erfahrungen zu sammeln, diese miteinander zu teilen und weiter voran zu kommen.

Stefanie: Und selbstverständlich verursacht unsere sanfte Betriebsübergabe auch Reibung – das ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Mein Mann und ich, wir waren vorher nur zu zweit … jetzt sind wir zu viert. Uns immer alle zu koordinieren, das ist einfach anstrengender. Ich vergleiche das gern mit einem Mobile: Stößt man einen Anhänger an, wackeln alle anderen mit. Je mehr es sind, desto mehr Schwung kommt in das Ganze. Und da es erfahrungsgemäß überhaupt keine Hilfe ist, unsere „Koordinationsarbeit“ vor unseren Mitarbeitenden auszutragen, müssen wir Raum schaffen, um unter acht Augen auf einen Nenner zu kommen. Das ist anstrengender als zuvor, wo es nur vier Augen waren.

Wie gelingt das?

Stefanie: Wir haben unser wöchentliches J&O-Treffen – das J steht für die Juniorin und den Junior, das O für uns Oldies. Für die neue Zusammenarbeit zu viert haben wir neue Strukturen geschaffen beziehungsweise bewährte wie unseren Kapazitätenplan frisch aufleben lassen. Wir haben eine Aufgabenliste, die wir Woche für Woche gemeinsam durchgehen.

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Unsere Partner-Handwerksfamilie Wurster: Das 3-Generationen-Foto entstand zum 60-jährigen Firmenjubiläum der Firma Janssen Sanitär + Heizung in Heidelberg im Jahr 2022. Zu sehen sind: Wolfgang Wurster (hinten links), seine Tante und Firmenmitgründerin Margot Janssen (vorne Mitte), Stefanie (vorne links), Sophia (vorne rechts) und Luca (hinten rechts).

Wolfgang: Als meine Frau und ich damals den Laden von meinem Onkel und meiner Tante (Janssen) übernahmen, wurden wir ein bisschen ins kalte Wasser geworfen. Wir arbeiteten zehn Jahre zusammen in der Geschäftsleitung, doch er arbeitete bis zum Schluss als Chef, der das Ruder allein in der Hand hat. Wir wollen für unsere Kinder einen „sanfteren“ Übergang. Sie sollen in kleinen Steps in die Rolle als Inhaber/in reinwachsen. Ich hätte meinen Erfahrungsschatz auch in einem Buch niederschreiben und weiterreichen können … Für andere passt das, für uns nicht. Sophia und Luca lernen, nach und nach eigenverantwortlicher und selbständiger zu führen … das machen sie gut.

Was war oder ist für Sie die größte Hürde beim Generationswechsel im SHK-Handwerk?

Stefanie:  Für mich war am schwierigsten, zu lernen, dass wir nicht alles ausdiskutieren können und müssen. Dabei haben wir uns oft nur im Kreis gedreht. Entscheidungen haben sich hingezogen wie Kaugummi … Seit wir die Aufgabenliste haben, die jedem konkrete Zeiten für die Erledigung derselben vorgibt, läuft das gut.

Wolfgang: Für mich war und ist die Kommunikation eine hohe Hürde. Über die Jahre wurden meine Frau und ich ein eingespieltes Team. Wir verstanden uns mit wenigen Worten, oft reichte nur ein Blick. Wenn wir einander etwas zuriefen und die:der andere nickte, konnten wir uns aufeinander verlassen.

Jetzt sind wir zu viert. Da ist es nicht nur schwierig, alle zu erreichen, um sie auf dem gleichen Kenntnisstand zu halten – auch das Verständnis zwischen uns ist keine Selbstverständlichkeit. Ich habe da anfangs viel zu viel vorausgesetzt. Wir mussten alle lernen, einander nicht nur zu informieren, sondern auch sicherzustellen, dass die Informationen ankommen – und zwar so, wie sie gemeint sind. An der klaren Kommunikation feilen wir immer noch täglich, um Missverständnisse zu vermeiden.

Luca: Ich bin ganz offen: Für mich liegt die größte Schwierigkeit auf technischer Seite. Zum einen haben wir, mein Vater und ich, nicht selten unterschiedliche Vorstellungen davon, wie wir ein Projekt technisch umsetzen. Dass unsere Ansichten auseinandergehen, liegt nicht nur daran, dass wir zwei Handwerkergenerationen sind, sondern auch am Fokus, mit dem wir die Technik betrachten. Aber: Wir lernen gemeinsam, wachsen zusammen und kommen so auf einen Nenner.

Sophia: Für mich ist immer noch am Schwierigsten, dass wir zu sehr als Familie denken und handeln. Wir sind hier aber als Unternehmer:innen zugange. Das müssen wir noch mehr verinnerlichen. Jede:r von uns muss in die Rolle reinwachsen und als Unternehmer:in agieren und reagieren. Wenn wir hier im Betrieb sind, dürfen wir uns nicht als Vater, Mutter, Sohn und Tochter betrachten, sondern als Geschäftspartner:innen.

Wo stehen Sie in Sachen Generationswechsel im SHK-Handwerk?

Stefanie: Wir planen, ab dem kommenden Jahr deutlich weniger zu arbeiten.

Vielen Dank, liebe Familie Wurster, dass Sie uns Einblick in Ihren sanften Generationswechsel gewährt und so offen über die Herausforderungen gesprochen haben, vor die dieser Sie alle stellt.

Fotos: Familie Wurster