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Innovative Kraftwärmekopplung (iKWK) – die optimale Speichergröße (Teil 2)

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In Teil 1 unserer Artikelserie zu iKWK-Systemen haben wir versprochen, dass wir uns dem Thema Wärmespeicher und optimale Speichergröße für iKWK noch einmal ausführlich widmen. Das Versprechen lösen wir heute ein. Der Speicherexperte im Hause Ritter Energie, Rolf Meißner, steht uns dazu in einem Interview Rede und Antwort.

Warum spielt die Speichergröße (Fassungsvermögen) des Solarwärmespeichers eine Rolle für iKWK und was ist bei seiner Auslegung zu beachten?

Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) fordert, dass bei iKWK-Systemen ein Anteil von 30 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Quellen kommen müsse – plus zusätzlich 3.000 Vollbenutzungsstunden KWK-Wärme. Wenn die Solarwärme ein Drittel und damit einen großen Teil des Netzwärmebedarfs decken soll, muss man mit Überschüssen an Solarwärme rechnen und deren Speicherung entsprechend planen. Doch das Speichern von Solarwärme-Überschüssen ist schon ab einem jährlichen solaren Deckungsgrad von etwa 10 Prozent unwirtschaftlich, wenn der für das Laufen der Solarthermie-Anlage zwingend nötige Speicher nicht bereits vorhanden, sondern als Komponente derselben erst angeschafft werden muss. Aus diesem Grund muss das solarthermische Kollektorfeld flexibel einsetzbar sein. Das heißt, es muss sich wie ein konventioneller Wärmeerzeuger abschalten lassen.

Hochleistungsfähige Solarthermie-Anlagen arbeiten vorzugsweise mit Fernwärmewasser uns speisen die erzeugte Solarwärme möglichst immer in den Vorlauf des Wärmenetzes ein. Für solche Anlagen ist die Abschaltung oder Trennung vom Wärmenetz bei Sonneneinstrahlung ein normaler Betriebszustand, den man auch thermische Stagnation nennt. Derart betriebene Solarthermie-Anlagen machen eine unwirtschaftliche Speicherauslegung oder Kühleinrichtungen für den Notfall überflüssig.

Die Auslegung (Dimensionierung) einer Solarthermie-Anlage lässt sich

  • volkswirtschaftlich,
  • betriebswirtschaftlich
  • und technisch

optimieren. Einzelheiten dazu hat man an einem sogenannten Muster-Wärmenetz am Standort Würzburg bereits ausführlich untersucht, dessen jährlicher Wärmeertrag zehn Millionen Kilowattstunden (kWh) beträgt. Daten hieraus lassen sich für beliebig große Wärmenetze verallgemeinern, wobei man den Standort Würzburg beziehungsweise das für ihn typische Wetter beibehält.

Wie unterscheiden sich die drei Optima zur Auslegung einer Solarthermie-Anlage inklusive Speichergröße?

Demnach liefern ein Duo aus Kollektorfläche und Speicher dann ein technisches Optimum, wenn die gesamte Solarwärme genutzt wird. Bereits kleinere Solaranteile (unter zehn Prozent) bräuchten Speicher in einer Größenordnung, die ökonomisch unwirtschaftlich wäre.

Am volkswirtschaftlichen Optimum gewinnt man möglichst viel Wärme, indem man so wenig wie möglich an Material und sogenannter grauer Energie einsetzt. Daraus resultiert ein sehr hoher Wärmeüberschuss – und damit verbunden zu große technische Herausforderungen.

Eine betriebswirtschaftlich optimal ausgelegte Solarthermie-Anlage liegt dazwischen. Sie wird am Wärmepreisminimum dimensioniert. Wobei zu unterscheiden ist, ob der Speicher Teil der Investition in die Solaranlage ist oder nicht.

Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie schnell die benötigte Speichergröße mit dem solaren Deckungsgrad (EE_ST) wächst, wenn Stagnation vermieden werden soll:

iKWK_optimale_Speichergröße

Für einen solaren Deckungsgrad von 30 Prozent ist eine kontrollierte Stagnation an vierzig Tagen pro Jahr betriebswirtschaftlich ratsam. Der Grund: Sie kostet nur etwa neun Prozent des Kollektorertrags. Soll Stagnation ganz vermieden werden, müsste der Speicher mit knapp 1,1 Kubikmetern (m3) pro Quadratmeter Kollektorfläche rund elf Mal größer sein. Damit wäre er aber auch viel stärker mit Wärmeverlusten behaftet. In Summe bliebe von den neun Prozent extra gewonnenem Kollektorertrag kaum was übrig.

Die Abhängigkeit sowohl der Speicherkapazität als auch der Ertragsverluste des Kollektors infolge Stagnation vom solaren Deckungsgrad und von der relativen Speichergröße verdeutlicht die nächste Abbildung:

iKWK_optimale_Speichergröße_Abhängigkeit_vom_Solarertrag

Demnach gilt:

  • Für kleine Solaranteile (unter 5 bis 8 Prozent) benötigen Wärmenetze demnach keinen Speicher.
  • Für Solaranteile von zehn Prozent lässt sich Stagnation noch mit Speichervolumina von etwa 50 Litern pro m2 Bruttokollektorfläche weitgehend vermeiden.
  • Liegen die Solarwärme-Anteile bei 20 Prozent und mehr braucht man bereits unwirtschaftliche 300 Liter Speichervolumen pro m2 Kollektorfläche, um Stagnation zu vermeiden.
  • Ein 30-prozentiger Solaranteil, so wie er bei iKWK gesetzlich vorgeschrieben ist, blieben Verluste infolge Stagnation an insgesamt vierzig Tagen pro Jahr dann kleiner als neun Prozent, wenn auf jeden m2 Bruttokollektorfläche mindestens 90 Liter Speichervolumen kämen. Das entspricht in etwa der Speicherkapazität von 2,3 Julitagen des Netzwärmebedarfs. Soll Stagnation in der Solarthermie-Anlage ausgeschlossen werden, müsste das Elffache, also rund 25 Juli-Bedarfstage gespeichert werden.
  • Bei einem Solaranteil von 40 Prozent kommt man selbst bei wirtschaftlichen 200 Litern Speichervolumen pro m2 Kollektorfläche auf noch immer 65 Stagnationstage mit mehr als 17 Prozent Überschussverlusten pro Jahr. Will man Stagnation ausschließen, bräuchte man 2.200 Liter Speichervolumen pro m2 und damit eine Kapazität von 72 Juli-Bedarfstagen. Das wäre dann schon “Saisonalspeicherung” – wobei auch dieser Speicher schon Ende Oktober bereits wieder leer wäre.

Ein beliebiger solarer Deckungsgrad entspricht am betriebswirtschaftlichen Optimum einem bestimmten Verhältnis von Speicher zu Kollektorfläche. Das heißt: Man kann für jeden Jahresbedarf an Solarwärme ein zugehöriges Optimum an Kollektorfläche und Speichergröße beziffern. Und weil das Verhältnis beider Größen nahezu konstant ist, lässt sich das für jeden Netzbedarf und solaren Deckungsgrad rauf- und runterrechnen.

Was ist der Vorteil einer flexibel abschaltbaren Hochleistungs-Solarthermie-Anlage? 

Der Speicherbedarf und der aus wirtschaftlicher Sicht nötige Verzicht auf Solarwärmeüberschüsse im Sommer wachsen überproportional mit dem Anteil erneuerbarer Solarwärme am Jahresbedarf des Wärmenetzes. Lässt sich eine Solarthermie-Großanlage nicht flexibel abschalten, setzt man bei höheren solaren Deckungsgraden oft auf sogenannte saisonale Niedertemperaturspeicher. Die haben eine Speicherkapazität von mehreren Wochen oder gar Monaten und lassen sich als ungedämmter Erdbeckenspeicher realisieren. Um die meiste gespeicherte Wärme aus diesem wieder zu entnehmen, kommt eine Wärmepumpe zum Einsatz, die ihrerseits Strom verbraucht. Außerdem ist so ein Speichertyp stark verlustbehaftet, so dass von dem gespeicherten Wärmeüberschuss kaum was bleibt.

Anders dagegen sieht das Ganze aus, wenn die Solarthermie-Anlagen flexibel abschaltbar und stagnationssicher sind. Und wenn verlustarme und vergleichsweise kleine Mehrtagesspeicher zum Einsatz kommen. Das diese Konstellation eine wegweisende Alternative ist, beweisen die Bio-Solardörfer seit Langem. Setzt man sich ernsthaft das Ziel “Efficiency first” und nimmt man die CO2-Einsparung als Gradmesser dafür ernst, dann ist flexible Hochleistungs-Solarthermie mit Netzspeichern ganz gewiss eine Schlüsseltechnologie für die Wärmewende.

Vielen Dank, Rolf Meißner für die tiefen Einblicke in die Dimensionierung von Solarthermie-Anlage und Speicher!

Titelbild: Doreen Brumme