Einer unserer “Dienstleistungen” hier im Blog, besteht auch darin, mehr oder weniger bekannte Studien vor den Vorhang zu holen und sie in knackiger Form zusammenzufassen. Heute ist dies die Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der dena-Studie: „Systemdiensleistungen 2030 – Sicherheit und Zuverlässigkeit einer Stromversorgung mit hohem Anteil erneuerbarer Energien“ an der Reihe. Wir halten sie deshalb für wichtig, da sie eine Welt skizziert in der ein hoher Anteil an Erneuerbaren bereits Realität ist. Auch wenn sie für meinen Geschmack das Thema etwas zu wenig ganzheitlich betrachtet, ist es ein Schritt in dir richtige Richtung. Wir müssen die Energiewende vom Ende her zurückdenken und schauen, was sich HEUTE ändern muss um MORGEN dieses Ziel zu erreichen.
Warum braucht es Systemdienstleistungen?
Die deutsche Bundesregierung hat den Ausbau der erneuerbaren Energien bis zu einem Anteil von 80 Prozent an der Stromversorgung in 2050 beschlossen. Um auch weiterhin einen sicheren und stabilen Betrieb der Stromnetze zu gewährleisten, müssen die sogenannten „Systemdienstleistungen“ beim Ausbau angepasst werden. Diese stabilisieren Frequenz und Spannung im Netz sowie den raschen Wiederaufbau der Versorgung bei großflächigem Stromausfall. Bislang haben konventionelle Kraftwerke und Pumpspeicherwerke diese Dienstleistung erbracht, unterstützt von flexiblen Lasten bei energieintensiven Industrieunternehmen. Mit der dezentralen Energiewende verringert sich aber die Laufzeit der konventionellen Kraftwerke, wodurch in verstärktem Maße dezentrale Energieanlagen die Systemdienstleistungen erbringen müssen, um das Stromnetz stabil zu halten. Die dena-Studie hat diese Frage eingehend untersucht und die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten dafür aufgezeigt.
Netz muss eine Leistungsveränderung von 3000 MW aushalten können
Das europäische Netz ist so ausgelegt, dass ein plötzlicher Kraftwerksausfall nicht zum Zusammenbruch des Netzes führt. Eine Leistungsveränderung von bis zu 3000 MW (das entspricht dem Ausfall eines Doppelkraftwerksblocks) kann das Netz also aushalten. Auch in Zukunft soll dieser Wert beibehalten werden. Um diese schnellen Frequenzänderungen kurzfristig abzufedern dienen bislang träge rotierende Massen von Generatoren konventioneller Kraftwerke, die sogenannte „Momentanreserve“. Als Alternative bieten sich in Zukunft die Generatoren von Windkraftwerken an.
Auch Erneuerbare als Momentanreserve geeignet
Mit geeigneten Leistungsreglern wären auch Photovoltaikanlagen und Batterieparks technisch in der Lage, eine Momentanreserve bereitzustellen. Die dena-Studie kommt zum Schluss, dass die aus Windkraftwerken bereitgestellte Momentanreserve übers Jahr in 93 Prozent der Fälle ausreichen würde, konventionelle Kraftwerke müssten in Zukunft nur mehr in 7 Prozent der Fälle einspringen. Dafür wäre der „regulatorische Rahmen so anzupassen, dass dezentrale Energieanlagen künftig zur Erbringung der Momentanreserve beitragen können“. Bei größeren Laständerungen oder Stromüberschuss wird sogenannte „Regelleistung“ im Netz benötigt. Diese wird bislang durch konventionelle Kraftwerke und Pumpspeicherwerke bereit gestellt, unterstützt von flexiblen Lasten bei energieintensiven Industrieunternehmen. Zum Teil wird Regelenergie bereits auch von Pools aus Biogasanlagen, Notstromaggregaten und Großbatterien geliefert. Zukünftig könnten auch fernsteuerbare Wind- oder Photovoltaikanlagen sowie kleine Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen Regelenergie liefern, falls benötigt.
Spielregeln müssen dafür geändert werden
Die Regeln am Regelleistungsmarkt müssten dafür an die wetterabhängige Stromeinspeisung erneuerbarer Energien angepasst werden, etwa durch Änderung der Ausschreibungszeiträume, der Vorlaufzeit zwischen Ausschreibung und Erbringung der Regelleistung und der Ermittlung des Regelleistungsbedarfs. Die dena-Studie zeigt, dass genügend technische und wirtschaftliche Alternativen zur Verfügung stehen und es nicht notwendig ist, einen konventionellen Kraftwerkspark von bis zu 25.000 Megwatt dafür in Betrieb zu halten, wie dies die deutschen Übertragungsnetzbetreiber fordern.
Wachsender Bedarf an Blindleistung
Die zunehmende schwankende Einspeisung erneuerbarer Energie sowie die steigende Verkabelung bringt einen wachsenden Bedarf an Blindleistung mit sich. Diese wird bislang von konventionellen Kraftwerken, Transformatoren und Kompensationsanlagen geliefert. In Zukunft könnten auch steuerbare Wechselrichter von Windkraft- und Photovoltaikanlagen Blindstrom liefern. Die Studie empfiehlt, diese Möglichkeit beim Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung aus technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Um einen möglichst lokal begrenzten Spannungseinbruch im Fehlerfall zu gewährleisten muss eine bestimmte Menge an Kurzschlussleistung im Netz vorhanden sein. Um den Beitrag erneuerbarer Energieanlagen zur Kurzschlussleistung regional zu verstetigen, müsste ein „regulatorischer Rahmen die Voraussetzungen schaffen“, dass der Netzbetreiber bei Bedarf aus erneuerbaren Energien auch in Zeiten ohne Wirkleistungseinspeisung Kurzschlussleistung einfordern kann. Die zunehmend dezentrale Einspeisung bringt einen wachsenden Abstimmungsbedarf zwischen Übertragungsnetz- und Verteilnetzbetreibern mit sich.
Notwendigkeit, mit kritischen Netzsituationen umzugehen, wird steigen
Es wird „eine Ausweitung und Standardisierung des Daten- und Informationsaustausches zwischen den beteiligten Netzbetreibern“ brauchen, um der wachsenden Komplexität Herr zu werden. Die dena-Studie empfiehlt einen geänderten regulatorischen Rahmen, um den Verteilnetzbetreibern die technisch-wirtschaftlich Abwägung zwischen Investitionen in weiteren Netzausbau und einem optimierten Netzbetrieb mit Eingriffen in Erzeugung und Verbrauch zu ermöglichen. Es werden sich auch neue Verantwortlichkeiten ergeben, was die Datenerfassung, Auswertung, Simulation und Steuerung des Stromnetzes betrifft.
Anmerkungen für Österreich
Im Unterschied zu Deutschland steht in Österreich über Pumpspeicherwerke genügend günstige Regelleistung übers ganze Jahr zur Verfügung. Das bestätigt wieder meinen Aufruf in Österreich endlich von der Energiewendebremse zu steigen. Es fallen jedoch zunehmend Ökostromanlagen aus der Einspeisevergütung, die nach 13 Jahren endet. Für Windkraftanlagen könnte es wegen der schnellen Regelbarkeit interessant sein, sie zur Bilanzgruppenregelung heranzuziehen, vor allem für negative Regelenergie (kurzzeitige Abregelung der Anlagen) um die Netzfrequenz zu stabilisieren. Die Vergütung dieser Regelenergie liegt im Schnitt beim 5-fachen des Normalstrompreises.
Warum nicht auch die Wärme in Systemdiensleistungsüberlegungen miteinbeziehen?
Ich finde es sehr interessant, wie stark die dena sich mit dem Thema Systemdienstleistungen auseinandersetzt und würde mir wünschen, dass die Denke in der Wissenschaft nun auch noch etwas Ganzheitlicher wird. In Dänemark hat man längst erkannt, dass der Strom- und der Wärmemarkt sich hervorragend ergänzen können. Ganz sieben deutsche Institutionen haben sich mit dem Thema Wärmenetze für die Wärmewende und Power to Heat beschäftigt. Ich hoffe, die Herrschaften arbeiten schon an einer Aktualisierung und ziehen auch den Wärmemarkt als Teil der Systemdienstleistungen in Betracht.
Ebriman / photocase.com
Eine gute Zusammenfassung. es zeigt uns Technisch machbar, aber wollen die Evu / Netzbetreiber für diese Regelenergie Dienste Zahlen?
Option Batterie Stromspeicher ich nehme eine größere Variante und Stelle dem Evu Kapazität bereit für Positive oder Negativer Regelenergie
Mit sonnigen Grüßen Josef Simon
Guter Kommentar. Es tun sich aber viele Fragen auf – eine SDL in Form von Regelenergie ist meiner Meinung nach die letzte Konsequenz. Im Endeffekt ist Regelenergie ja kein Naturgesetz sondern (zumindest ein Teil davon) die Manifestation von Ineffizienzen (Prognoseverfahren, Intradayhandel, unflexibler Kraftwerksmix). Zuerst müssen sehr viele Schrauben gedreht werden um den Regelenergiebedarf zu senken. Im Moment gilt der erste Aufruf immer der negativen Regelenergie aus Erneuerbaren. Das ist mir noch zu Kurz gegriffen.
Die wahre Herausforderung ist eine intelligente Netzsteuerung über intelligente Kommunikationssysteme. Ob hier genug Anreiz vorhanden ist um die Verteilnetzbetreiber im Sinne einer Energiewende zu motivieren sei ebenso dahin gestellt wie die Sache mit der Regelenergie.