UNICEF-Bericht

UNICEF-Bericht zu Kinderwohl: Wohlhabend heißt nicht gesund für Kinder

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Heute ist der 1. Juni und damit Internationaler Kindertag: Deshalb reden wir heute über Kinder. Die brauchen eine sichere und gesunde Umgebung und eine intakte Umwelt, um sich gut entwickeln zu können. Die neueste Report Card 17 des UNICEF-Forschungszentrums Innocenti, die ihr hier als kostenloses PDF in englischer Sprache downloaden könnt,  zeigt jedoch, dass auch Kinder in wohlhabenden Ländern in starkem Maße Luftbelastungen, Bleiverschmutzung oder Lärm ausgesetzt sind. Sie würden demnach teils in Wohnungen leben, die zu dunkel, zu kalt oder zu klein seien, oder in Städten und Gemeinden, in denen sie nur unzureichenden Zugang zu Grünflächen hätten. Steigende Temperaturen, der Verlust der Biodiversität und extreme Wetterereignisse würden dem mentalen sowie körperlichen Wohlbefinden der Kinder und ihrer kognitiven Entwicklung schaden und sich nachteilig auf ihre Zukunftsperspektiven aus wirken. Die wichtigsten Ergebnisse vom 88-seitigen UNICEF-Bericht haben wir hier für euch zusammengefasst.

UNICEF-Bericht: Wohlstand ist kein Garant für gesunde Umgebung und intakte Umwelt für Kinder

In der zugehörigen Pressemitteilung schreibt UNICEF, dass die aktuelle Report Card „Umgebung und Umwelt von Kindern“ („Places and Spaces. Environments and children’s well-being“) zeige, dass der Wohlstand eines Landes für Kinder keine Garantie
dafür sei, in einer gesunden Umgebung und einer intakten Umwelt aufzuwachsen. Vielmehr verdeutliche Bericht, dass die Zukunft der heutigen Kinder sowie der nachfolgenden Generationen von einem nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauch gefährdet sei.

Keines der für den 17. Innocenti-Bericht untersuchten 39 Länder der OECD und EU biete Kindern in sämtlichen Bereichen stetig gute Bedingungen. Länder  wie Finnland, Norwegen oder Island würden den aktuellen Forschungsergebnissen zufolge zwar eine vergleichsweise sichere und gesunde direkte Umgebung für ihre Kinder schaffen, nähmen aber mit einem zu hohen Verbrauch an  Ressourcen einen negativen Einfluss auf die globale Umwelt.

Andere Länder wie Costa Rica, Rumänien oder Chile hätten einen
geringeren negativen Einfluss auf die Umwelt, böten aber den Kindern vor Ort eine vergleichsweise schlechte Umgebung.

Alle Länder müssten laut UNICEF lokal wie global Maßnahmen
ergreifen und für Kinder eine sichere und gesunde Umwelt schaffen.

Zur Methodik des 17. Innocenti-Reports – Länderranking

Für den Report seien UNICEF zufolge vergleichbare internationale Daten zur näheren und weiteren Umgebung von Kindern aus 39 Ländern der OECD und der Europäischen Union sowie Daten zum Beitrag dieser Länder

  • zu Klimaveränderungen,
  • zum Ressourcenverbrauch
  • und zur Produktion von Elektroschrott ausgewertet worden.

In einer Rangliste bilde der Report ab, wie gut es den Ländern
gelinge, für ihre Kinder eine sichere und gesunde Umgebung sowie intakte Umwelt zu schaffen – innerhalb der Landesgrenzen und darüber hinaus.

Für das Ranking seien die Länder auf Basis von insgesamt neun Indikatoren in drei sogenannten Dimensionen miteinander verglichen worden:

  1. Die Welt der Kinder: Diese Dimension beschreibe die direkte Schnittstelle, an der Kinder mit ihrer Umwelt in Kontakt kämen, zum Beispiel über die Luft oder das Wasser. Dazu habe man die Wasser- und Luftverschmutzung sowie den Kontakt mit Schadstoffen bei Kindern untersucht.
  2. Das direkte Umfeld der Kinder: Hierzu gehört die nähere Umgebung von Kindern, beispielsweise die Nähe zu Grünflächen oder der Autoverkehr.
  3. Die Umwelt der Kinder: Diese Dimension umfasse die erweiterte Umwelt der Kinder – regional, national und global – sowie die Auswirkungen auf das kindliche Wohlbefinden weltweit. Unter den untersuchten Aspekten dieser Dimension seien die verursachten Treibhausgase oder anfallender Elektroschrott gewesen.

Auf Basis dieser Indikatoren sei eine Rangliste erstellt worden. An ihrer Spitze stehe Spanien, gefolgt von Irland und Portugal. Der Grund: Diese Länder würden eine gute Umgebung für die
Kinder innerhalb der eigenen Landesgrenzen bieten und trügen im Vergleich zu den anderen OECD- und EU-Ländern weniger zu globalen Umweltproblemen bei.

UNICEF Innocenti Report

Alle untersuchten Länder hätten in den drei Dimensionen sehr unterschiedlich abgeschnitten, schreibt UNICEF in der Pressemeldung weiter. Einige der vergleichsweise wohlhabenden Länder lägen demnach auf der Rangliste sehr weit hinten (USA oder Belgien). Das zeige, dass ein nationaler Wohlstand keine Garantie für Kinder sei, in einer gesunden und sicheren Umgebung aufzuwachsen.

Zudem zeige sich, dass Länder wie Australien und Kanada zwar den Kindern von heute ein relativ gutes Umfeld ermöglichten, jedoch mit einem hohen, nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauch die Zukunft der Kinder vor Ort und weltweit gefährden würden.

UNICEF-Bericht: Welt der Kinder

Viele Kinder würden laut dem 17. UNICEF Innocenti Report verschmutzte Luft einatmen – und zwar sowohl in ihren Wohnungen als auch im Freien. Insbesondere in Kolumbien und Mexiko verlören Kinder wegen der Luftverschmutzung gesunde
Lebensjahre (jeweils durchschnittlich 3,7 gesunde Lebensjahre pro 1.000 Kinder unter 15 Jahren).

Am geringsten seien die Auswirkungen in Japan und Finnland. Deutschland liege demnach im Mittelfeld der betrachteten Länder. Hierzulande verlören Kinder wegen der Luftverschmutzung statistisch gesehen durchschnittlich ein halbes gesundes Lebensjahr.

In 13 der untersuchten Länder habe ein Teil der Kinder häufig keinen Zugang zu sauberem Wasser sowie zu sanitären Einrichtungen. Das betreffe vor allem Kinder in Kolumbien, Mexiko und der Türkei.

Es gebe zudem Hinweise darauf, dass sich Pestizide auf vielfältige Weise schädlich auf die Gesundheit von Kindern auswirken würden. Pestizidbelastungen würden mit Krebs, einschließlich
kindlicher Leukämie, in Verbindung gebracht und könnten das Nerven-, Herz-Kreislauf-, Verdauungs-, Fortpflanzungs-, Hormon-, Blut- und Immunsystem von Kindern schädigen. In Tschechien, Polen, Belgien, Israel, den Niederlanden und der Schweiz lebe mehr als eins von zwölf Kindern in Gebieten mit hoher Pestizidbelastung. Deutschland schneidet hier, mit einem Anteil von 0,1 Prozent, vergleichsweise gut ab.

Auch Lärm werde mit diversen Gesundheitsrisiken verbunden. Dazu gehörten Auswirkungen auf die Schwangerschaft und Geburt, Stress, kognitive Einschränkungen und reduzierte Schulleistungen. Deutschland schneide hier besonders schlecht ab. 24 Prozent der Haushalte mit Kindern berichten von Lärmbelästigungen, zum Beispiel seitens des Verkehrs. Besonders betroffen davon seien Familien, die in Armut lebten. Hier seien es sogar 33 Prozent – so viele, wie in kaum einem anderen Land.

UNICEF-Bericht: Direktes Umfeld der Kinder

Feuchtigkeit und Schimmel in Häusern und Wohnungen könnten zu Infektionen der oberen Atemwege, Asthma und Bronchitis beitragen. Daten aus EU-Befragungen hätten gezeigt, dass in der Türkei, Ungarn, Zypern Portugal, Island, Großbritannien oder Lettland die Eltern jedes fünften Kindes angegeben hätten, dass sie in einer Wohnung

  • mit einem undichten Dach,
  • feuchten Wänden
  • oder Fäulnis in den Fensterrahmen oder Fußböden

leben. In Deutschland treffe das auf jedes siebte Kind zu.

In Lettland und Mexiko sei mehr als ein Drittel der Haushalte überbelegt, in der Slowakei, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Polen sei es mehr als ein Viertel. Das könne negative
Effekte auf die Lernleistungen von Kindern haben. In Deutschland seien 6 Prozent aller Wohnungen überbelegt. Allerdings würden die Wohnverhältnisse von Kindern stark vom Einkommen der Eltern abhängen. 15 Prozent der Kinder aus dem ärmsten Fünftel der Familien würden in beengten und überbelegten Wohnverhältnissen aufwachsen. Bei Kindern aus dem reichsten Fünftel komme das dagegen fast nie vor (2 Prozent).

Grünflächen hätten einen positiven Effekt auf die Lebenszufriedenheit junger Menschen. Besonders in Finnland stünden Menschen viele Grünflächen zur Verfügung, gefolgt von Island und Litauen. Städte in Israel und Südkorea hätten dagegen die wenigsten Grünflächen. Deutschland liege auch hier im Mittelfeld der betrachteten Länder.

UNICEF-Bericht: Umwelt der Kinder

Einige wohlhabende Länder hätten laut dem UNICEF-Bericht Innocenti Report Nummer 17 , im Verhältnis zur Bevölkerungszahl, einen besonders schädlichen Einfluss auf die globale Umwelt. Wenn jeder Mensch weltweit so leben würde, wie eine durchschnittliche Person aus den im Report betrachteten Ländern, bräuchten wir
3,3 Erden, um den Lebensstandard zu halten. Die Spanne reiche von 1,2 Erden in Kolumbien bis hin zu sogar 8 Erden in Luxemburg.

Auch Menschen in Deutschland verbrauchten demnach deutlich zu viele Ressourcen: Wenn jeder Mensch so leben würde wie die Deutschen bräuchten wir 2,9 Erden.

Die Kohlenstoffdioxid-Emissionen sind in wohlhabenden Ländern ein Problem. Im Durchschnitt würden die im Report betrachteten Länder pro Jahr 9 Tonnen CO2 pro Person emittieren. In Luxemburg liege der CO2-Ausstoß sogar bei über 36 Tonnen. Das sei mehr als der CO2– Ausstoß einer durchschnittlichen Person aus Kolumbien, Costa Rica, Mexiko, Rumänien, Türkei, Chile und Griechenland zusammen. 1997 verpflichteten sich die Industrie- und Schwellenländer dazu, ihre Treibhausgasemissionen zu senken. Seitdem hätten die vier Länder mit den höchsten Emissionen – Australien, Kanada, Luxemburg und USA – laut UNICEF mehr als 380 Tonnen CO2 pro
Einwohner ausgestoßen, während in Chile, Costa Rica, Lettland, Litauen, Mexiko und der Türkei die Emissionen unter 100 Tonnen geblieben seien. Deutschland habe in diesem Zeitraum 234 Tonnen CO2 pro Einwohner ausgestoßen.

In den wohlhabenden Ländern habe sich die Abfallmenge von durchschnittlich 484 Kilogramm (kg) pro Person im Jahr 2010 auf 529 kg pro Person im Jahr 2019 erhöht, schreibt der UNICEF-Bericht weiter. Diese Durchschnittsangaben würden aber nicht den großen Unterschied zwischen einem Wert von ungefähr 336 kg in Japan
und Polen bis zu 960 kg in Kanada. In 25 der betrachteten Länder werde der meiste Abfall weder recycelt noch kompostiert.
Der am schnellsten wachsende Abfall sei Elektroschrott. Im Jahr 2019 seien 53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert worden und es werde UNICEF zufolge erwartet, dass sich dieser Wert bis 2035 noch einmal verdoppele. Elektroschrott beinhalte Schadstoffe wie Quecksilber, Kadmium und Blei. Diese Stoffe könnten den menschlichen Körper und das Gehirn schädigen – vor allem bei Kindern.

Elektroschrott sei ein Beispiel dafür, wie Umweltfaktoren sich über lange Zeiträume und große Distanzen auswirken würden, denn einige der Schadstoffe, die in einem wohlhabenden Land
weggeworfen werden, beeinträchtigen letztendlich das Aufwachsen von Kindern im globalen Süden.

Einige Länder, die ihren Kindern ein gutes Umfeld böten (Norwegen und die Schweiz), gehörten zu denjenigen, in denen am meisten konsumiert werde und der meiste Elektroschrott anfalle. Norwegen produziere jedes Jahr 26 kg Elektromüll pro Person, in der Schweiz seien es 23,4 kg. Ähnlich schlecht schneide Deutschland ab. Ein Mensch in Deutschland habe 2019 fast 20 kg Elektroschrott produziert.

UNICEF-Bericht: Ungleichheit mit Folgen

Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Ländern hätten laut dem UNICEF-Bericht einen Einfluss darauf, wie sich die Umgebung und die Umwelt auf Kinder auswirken würden. Ärmere Haushalte hätten demnach ein höheres Risiko,

  • verschmutzte Innenluft einzuatmen,
  • keinen Zugang zu sicherem,
  • sauberem Trinkwasser zu haben
  • und in dunklen Wohnungen zu leben.

In 31 europäischen Ländern würden arme Haushalte mit Kindern im Vergleich zu wohlhabenderen Haushalten mit Kindern
doppelt so häufig in überfüllten Wohnungen leben und hätten Probleme, ihr Zuhause zu heizen.

Kinder aus armen Haushalten seien deutlich höheren Umweltrisiken ausgesetzt und lebten tendenziell häufiger in Nachbarschaften mit weniger Spielgelegenheiten.

Klimabildung und Engagement für eine lebenswerte Zukunft

Immer mehr Kinder und Jugendliche würden sich mit großem Engagement für die Rettung des Planeten und eine nachhaltige Zukunft einsetzen, sagt der UNICEF-Bericht. Sie seien zunehmend wichtige Partner in nationalen, regionalen und internationalen Klimadialogen und sorgten dafür, dass ihre Anliegen auf der Tagesordnung bleiben.

Um Entscheidungen beeinflussen zu können, bräuchten junge Menschen

  • das dazu notwendige Wissen,
  • die Kompetenzen
  • und die Gelegenheiten, sich Gehör zu verschaffen.

Doch noch längst nicht alle Kinder hätten ausreichend Wissen zu globalen Themen, wie zur Klimakrise. 76 Prozent der 15-Jährigen gäben im Schnitt an, dass ihnen der Klimawandel oder die Erderwärmung bewusst seien. Besonders hoch sei das Bewusstsein hierfür in Südkorea (88 Prozent) gewesen, am geringsten in Rumänien (61 Prozent). In Deutschland sei das
Bewusstsein der Jugendlichen für den Klimawandel und die Erderwärmung vergleichsweise hoch gewesen (83 Prozent).
UNICEF beruft sich an dieser Stelle auf eine Studie unter sechs wohlhabenden Ländern, die gezeigt hätte, dass knapp die Hälfte aller jungen Menschen so sorgenvoll auf ihre Umwelt blickten, dass es ihren Alltag und ihre Lebenszufriedenheit beeinflusse. Etwa sechs von zehn Personen glaubten, dass ihre Regierung im Hinblick auf die Umwelt nicht genug unternehme. Zwei von fünf Personen hätten Zweifel, ob sie selbst Kinder haben werden – aufgrund der Klimakrise.

UNICEF hat 3 Forderungen zum Schutz der Kinder und zur Verbesserung ihrer Umwelt

UNICEF hat folgende 3 Forderungen zum Schutz und zur Verbesserung der Umwelt von Kindern:

  1. Die Regierungen der untersuchten Länder müssten auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene Abfälle sowie Luft- und Wasserverschmutzung reduzieren und für Kinder qualitativ hochwertige Wohnungen und eine Umgebung schaffen, in denen sie sich gut entwickeln und ihr Potential entfalten könnten. Dies gelte insbesondere für benachteiligte Kinder, die oft höheren Umweltbelastungen ausgesetzt seien.
  2. Die Regierungen und politische Entscheidungsträger der untersuchten Länder müssten dafür sorgen, dass die Bedürfnisse von Kindern in ihre Entscheidungsfindung
    einbezogen werden. Auf allen Ebenen, von den Eltern bis zu den Politikern, müssten Kinder gehört und bei der Gestaltung von Maßnahmen, die sich auf künftige Generationen
    auswirken werden, berücksichtigt werden.
  3. Die Regierungen der untersuchten Länder und Wirtschaftsunternehmen sollten sofort wirksame Maßnahmen ergreifen, um die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2050 einzuhalten. Die Anpassung an den Klimawandel sollte sowohl für Regierungen und die internationale Gemeinschaft hohe
    Priorität haben.

Fotos: UNICEF (Grafik)