Wähnte ich Präsident Barack Obama bisher ohnmächtig vor den scheinbar alles und jeden blockierenden Republikanern im Senat, machtlos gegenüber der einheimischen Öl- und Kohleindustrie, sprachlos an der Seite wortgewandter Klimaskeptiker und des (Unter)Schreibens des Weltklima-Protokolls unfähig, muss ich meine Meinung nun wohl revidieren.
Obamas Regelentwurf soll Klimapolitik der USA signifikant ändern
Denn der amtierende Präsident der USA hat es laut Medienberichten jetzt allen gezeigt, denen das Klima egal zu sein scheint – zur Freude all derer, mich eingeschlossen, die nicht dazu gehören – und seinem Land einen Regelentwurf vorgelegt, der den ohne Frage dringend nötigen Klimaschutz quasi verordnet. Überrascht mich das? Ja und nein.
Nein, weil Barack Obama mit dem von seiner Umweltbehörde EPA (die Buchstaben stehen für „Environmental Protection Agency“), übrigens einst ins politische Leben gerufen von Präsident Nixon, jetzt verkündeten Regelentwurf, der im Übrigen noch in öffentlichen Hearings diskutiert werden wird (am 29. Juli in Atlanta und Denver, am 31. Juli in Pittsburgh, während der Woche um den 28. Juli in Washington, DC) die Neuausrichtung der Klimapolitik der USA in reale Politik umsetzen will, die er seit Jahren angekündigt und die seitens des Kongresses und des Obersten Gerichts (Supreme Court) längst beschlossene Sache ist. Schon zu seinem Amtsantritt 2009 hatte Barack Obama schließlich versprochen, die CO?-Emissionen bis 2020 um 17 Prozent zu drosseln. Umweltschützer erwarten diesen Schritt der Politik, als Taten, die den damals auch wahlentscheidenden Worten folgen, deshalb zu Recht seit langem. Obama hat die drei großen Ziele seines „Climate Action Plan“ im Sommer des vergangenes Jahr medienwirksam klargemacht. Sie lauten:
- Senkung des CO?-Ausstoßes der USA
- Vorreiterschaft der USA bei den internationalen Bemühungen um die Senkung des globalen CO?-Ausstoßes (USA als Vorbild!): Er wolle garantieren, dass die USA bei den globalen Anstrengungen zur Rettung des Planeten an vorderster Front mitmischten, sagte Obama laut der Zeit in seiner außenpolitischen Grundsatzrede in West Point vergangene Woche. Und: “Amerikas Einfluss ist immer am größten, wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen.”
- Vorbereiten des US-Haushaltes auf die kostspieligen Folgen, die der Klimawandel nach sich zieht
Der neuen Verordnung zufolge sollen die USA den CO?-Ausstoß insbesondere ihrer Kraftwerke bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent senken, wobei diesem Ziel der Kohlendioxid-Ausstoß des Jahres 2005 zu Grunde gelegt wird. Laut thinkprogress.org entspräche das Senken der Emissionen um 25 Prozent bis 2020 mehr als 300 Millionen Tonnen des Treibhausgases pro Jahr weniger. Dabei bliebe es den einzelnen Bundesstaaten überlassen, wie sie CO?-Emissionen einsparten: Denkbar seien laut dem Handelsblatt der Handel mit Verschmutzungsrechten sowie ein erhöhter Einsatz Erneuerbarer Energien und/ oder umweltfreundlicher Technologien.
“This plan is all about flexibility,” zitiert thinkprogress.org EPA Administrator Gina McCarthy dazu. “That’s what makes it ambitious, but achievable. That’s how we can keep our energy affordable and reliable. The glue that holds this plan together, and the key to making it work, is that each state’s goal is tailored to its own circumstances, and states have the flexibility to reach their goal in whatever way works best for them.”
Ein zu hohes Maß an Flexibilität, das Obamas Verordnung den Bundesstaaten hier einräumt? – frage ich mich.
Ja, denn mit der Neuausrichtung der Klimapolitik tritt Obama direkt auf die Füße der Betreiber der mehr als 600 Kohlekraftwerke seines Landes – die für einen Großteil der CO?-Emission verantwortlich sind: immerhin 40 Prozent. Ein Schritt, der gut gezielt ist. Zum einen geht der Kohleindustrie wortwörtlich “die Luft aus”, es handelt sich also eher um einen „Nachtritt“ zur Beschleunigung des Unausweichlichen. Zum anderen hat dieser „Machtbeweis“ eine hohe Außenwirkung auf alle, denen der Rauch der Kohlekraft seit langem in den Augen brennt. Machen wir uns nichts vor, Obama versucht damit Gunst auf internationaler Ebene und Wählerstimmen auf nationaler zu sichern. Gleichzeitig stellt er Weichen für die Wirtschaftsmacht seines Landes: „Eine CO2-arme Wirtschaft mit sauberer Energie kann ein Wachstumsmotor für die kommenden Jahrzehnte sein“, sagte Obama laut der Zeit am Samstag in seiner wöchentlichen Radio- und Internetbotschaft an die US-Bevölkerung.
Wie die Kohleindustrie den – ich schreibe mal bewusst doppeldeutig „(Auf)Tritt des Präsidenten verkraftet“, bleibt abzuwarten. Ich zumindest erwarte von dieser Seite Widerspruch und Widerstand – erste Meldungen erfüllen meine Erwartungen diesbezüglich voll: Laut „The New York Times“ schrieb “Scott Segal, a lawyer with the firm Bracewell & Giuliani, which represents coal companies and plans to sue over the rule”, in einer E-Mail: “’Clearly, it is designed to materially damage the ability of conventional energy sources to provide reliable and affordable power, which in turn can inflict serious damage on everything from household budgets to industrial jobs.”’
Nix Neues aus dem Westen? Von wegen!
Doch ganz gleich, ob Barack Obama mit seinem NUR-Regelentwurf der große Überraschungswurf gelungen ist oder nicht – am Ende zählt, dass er damit den Klimawandel als von Menschen gemacht anerkennt. Nix Neues aus dem Westen? Von wegen!
Der Vorschlag zur klimapolitischen Kehrtwende ist immerhin das Eingeständnis des Präsidenten der USA, bis dahin einen falschen Kurs verfolgt zu haben. Ein Kurs, der weder klug, noch sicher und erst recht nicht sinnvoll war – oder wie es Barack Obama beschreibt: „Wir begrenzen die Menge giftiger Chemikalien wie Quecksilber, Schwefel und Arsen, die Kraftwerke in die Luft blasen oder ins Wasser leiten dürfen.“ Für Kohlendioxid-Emissionen gebe es aber keine derartige Grenze, so der Präsident laut der Zeit. „Das ist nicht klug, nicht sicher, und es macht keinen Sinn.“
Ich sage an dieser Stelle deshalb: “Well done, Mr. Präsident! Keep it up!”
Wir haben auch einen ganz guten Draht in die USA und werden mal versuchen auch Outsiderinformationen zu bekommen!
Zum Weiterlesen hier noch einige gute Artikel dazu:
- Obama just did what no other president before him has done
- 8 Things You Should Know About The Biggest Thing A President’s Ever Done On Climate Change
Foto: Official White House Photo by Pete Souza
Das kling – beim ersten Hinhören – wunderbar!
ABER: bedeutet das nicht auch, dass die US- Staaten quasi den Freibrief, oder sogar die Auffordeung dazu bekommen, ungehindert per Wracking, und das dank bevorstehendem Freihandelsabkommen nicht nur auf US- Territorium, das Ziel der CO²- Reduktion zu verfolgen. In den 70er und 80er Jahren war es u. a. auch das Argument der “sauberen” Energie, das der Atomenergie dazu verhalf, Fuss zu fassen…
Hallo Sabine, vielen Dank für diesen Denkanstoss. Ich war auch sehr skeptisch, als ich erstmals davon gehört habe. Bei Wracking hat sich vermutlich die Autokorrektur selbständig gemacht und Sie meinen Fracking. Es ist unglaublich wichtig den Leuten klar zu machen, dass Fracking nicht die billige Energielösung ist, als die sie dargestellt wird. Ich habe mir das hier schon mal genauer angeschaut und je mehr ich recherchiere desto klarer wird das Bild.
https://blog.paradigma.de/wie-viel-kostet-eigentlich-fracking-ueber-das-ende-einer-pensionistenbewegung/
mMn hat sich die Atomenergie nicht deshalb durchgesetzt (bzw. hat sie sich eigentlich nicht durchgesetzt) weil sie als sauber galt (damals gab es die Klimawandeldebatte noch gar nicht), sondern weil sie als billig galt. Die Berechnungen von damals entbehrter zwar oftmals der Realität und sind für Neuanlagen nicht mehr haltbar, wie ich in meinem Berechnungsartikel geschrieben habe https://blog.paradigma.de/wie-man-kosten-eines-atomkraftwerks-berechnet/.
Ich weiß, dass auch in den USA Menschen sitzen, die rechnen können und sich nicht von der Teaparty Bewegung blenden lassen. Dieser Schritt ist wirklich gewaltig und natürlich darf es nicht passieren, dass dadurch Fracking an Bedeutung gewinnt. Wenn sie es ernst meinen muss hier auch das Entweichen von Methan bei der Förderung berücksichtigt werden und dann sieht die Klimabilanz gleich ganz anders aus. Ich als hoffnungslose Optimisten werte es erstmals als guten Schritt weil ich auch von meinen Leuten in den USA die Rückmeldung bekomme, dass sich noch nie so viel getan hat wie jetzt. Auch die Zusammenarbeit mit China lässt Positives für die Kliamkonferenz in Paris erwarten. Wenn die beiden sich einig werden, könnten tatsächlich größere Schritte gelingen. Auch wenn diese Konferenzen ohnehin mit Vorsicht zu genießen sind. Dieser Schritt ist jedefalls ein gewaltiger Schlag ins Gesicht der organisierten Klimawandelskeptiker, die bislang die Medien dominierten. Mit dieser Nachricht schlägt das Pendel erstmals wieder in die andere Richtung aus.
Schon erstaunlich wie schleppend diese Energiewende und der Kampf gegen den Klimawandel voran geht. Schön auch mal gute Nachrichten zu hören! Für gewöhnlich sind die Nachrichten aus dem fernen Westen ja eher negativer Natur. Mal gucken was sich dort tut.
P.S.: An den im vorletzten Satz genannten Outsiderinformationen hätte ich großes Interesse!