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Volker Wichter: "Viele wussten nicht, dass Solarthermie auch im Hunsrück Wärme um 3ct/kWh liefern kann"

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Wenn ein Bürgermeister und seine Mitstreiter beschließen, Energiegeschichte zu schreiben, haben sie alle Hände voll zu tun – umso mehr freut es mich, dass sich der Neuerkircher Ortsbürgermeister Volker Wichter Zeit für uns genommen hat. Denn hier im Hunsrück entsteht der Nahwärmeverbund Neuerkirch-Külz mit einer großen Solaranlage für zwei Dörfer. Bevor ich euch dieses spannende Projekt näher vorstelle, lassen wir erst einmal den Ortsbürgermeister zu Wort kommen:

Wie kamen Sie und Ihre Gemeinde Neuerkirch auf die Idee, ein Nahwärmenetz zu planen?

Der damalige Gemeinderat von Neuerkirch hatte ein Konzept zur Dorfentwicklung namens „Fit für die Zukunft“ ins Leben gerufen. Im August 2013 wurden dann als Ergebnis einer Umfrage verschiedene Arbeitsgruppen gebildet – u.a. die Arbeitsgruppe Ökologie. Diese nahm die Idee eines Nahwärmenetzes auf und begann verschiedene Möglichkeiten zu prüfen.

Was waren die ersten Schritte? War es von Anfang an klar, dass die Wahl auf Solarthermie und Hackschnitzel fallen würde, und wie kam die Kooperation mit der Nachbargemeinde Külz zustande?

Die Arbeitsgruppe hat sowohl verschiedene Gesellschaftsformen (z.B. Genossenschaft, GBR, kommunaler Eigenbetrieb usw.) als auch die unterschiedlichen Energiequellen (z.B. Wärmepumpe, Biogas, Rapsöl, Holzhackschnitzel, Solarthermie usw.) untersucht. Die Entscheidung für Holzhackschnitzel fiel recht früh, da diese lokal bezogen werden können und Regionalität ein wichtiges Kriterium für uns war. Die Möglichkeit Solarthermie zu integrieren  erschien zunächst zwar reizvoll aber nicht wirtschaftlich. Erst als klar war, dass sehr viel mehr Hauseigentümer in Neuerkirch Interesse an dem Nahwärmeprojekt hatten, als ursprünglich gedacht, wurde die Solarthermie immer interessanter. So kam die Idee, das Projekt gemeinsam mit Külz umzusetzen.

Gab es Hürden zu überwinden, bevor es richtig losgehen konnte?

Viele der Beteiligten, inklusive Planer, wussten nicht, wie weit fortgeschritten die Technik im Bereich Solarthermie inzwischen ist und dass Solarthermie sogar im Hunsrück Wärme liefern kann.

Und welche Tipps würden Sie anderen Bürgermeistern mit auf den Weg geben?

Mitglieder der Arbeitsgruppe Ökologie haben einen Vertreter von Ritter XL Solar eingeladen, um sich auf den aktuellen Stand zu bringen. Auch hat die Arbeitsgruppe Ökologie von Anfang an sehr viel Wert auf Öffentlichkeitsarbeit gelegt. Gemeinsam mit dem Gemeinderat und mir hat die Arbeitsgruppe Veranstaltungen organisiert, ein Infoblatt zusammengestellt und persönlich an die Haushalte verteilt, mehrere abendliche Sprechstunden für offene Fragen gehalten usw. Nur so konnte die sehr hohe Beteiligung erreicht werden. Und wir haben Fahrten zu anderen Nahwärmeanlagen in Büsingen und Mannebach* organisiert – jeder Interessierte konnte mitfahren und sich das anschauen.

Und schließlich: Läuft die Anlage schon – bzw. wann ist es so weit?

Die Inbetriebnahme ist für Sommer 2016 geplant.

Was halten Sie vom Wettbewerb “Bioenergie-Kommune 2016″? Der Nahwärmeverbund Neuerkirch-Külz erfüllt aus meiner Sicht gleich mehrere der Wettbewerbskriterien: Die Kombination von Biomasse und Solarthermie, eine gute Bürgerbeteiligung und Vorbildfunktion für den ländlichen Raum. Da läge eine Bewerbung doch nahe…?

Der Wettbewerb ist sicherlich eine gute Sache; da unser Nahwärmenetz noch gar nicht in Betrieb ist, haben wir uns entschieden, uns erst in zwei Jahren als Bioenergie-Kommune zu bewerben.

Wir drücken die Daumen! Und danke an Ortsbürgermeister Volker Wichter und Gemeinderätin Anne Fitzgerald (Arbeitsgruppe Ökologie).

* Anmerkung Ecoquent Positions: Die Gemeinde Mannebach liegt ebenfalls im Hunsrück und versorgt seit 2012 ein Nahwärmenetz mit Wärme aus Holz-Hackschnitzeln.

Solarthermie ist nicht die einzige Herausforderung beim Nahwärmeverbund Neuerkirch-Külz

Die Solarthermieanlage ist nicht das einzige Thema, mit dem sich die Neuerkircher gerade auseinandersetzen: Ortsbürgermeister Wichter erzählte mir, dass neben dem Nahwärmenetz teilweise auch noch Glasfaseranschlüsse und Kanäle gebaut und Stromleitungen unter die Erde verlegt wurden; ein Bach musste unterirdisch gequert und schwierige Baugrundverhältnisse gemeistert werden. Dazu kommt, dass Volker Wichter sein Wissen nicht für sich behält, sondern auf Vorträgen quer durch Deutschland weitergibt.

Aufklärungsarbeit ist wichtiger denn je

Und seine Erfahrungen zeigen ja, wie wichtig Aufklärungsarbeit hier noch immer ist – wenn manchen Planern nicht einmal bewusst ist, dass Solarthermie auch in unseren Breiten selbstverständlich einen wirtschaftlichen Beitrag zur Wärmeversorgung leisten kann.

Größte Solarthermieanlage in Rheinland-Pfalz

Die Solaranlage ist momentan wohl die größte in Rheinland-Pfalz. Sie wird rund ein Fünftel des Jahreswärmebedarfs von 3.100 Megawattstunden liefern; im Sommer sogar bis zu 100 Prozent. Hauptwärmeerzeuger sind zwei Holzhackschnitzel-Kessel.

Und hier die nackten Fakten 🙂 zum Nahwärmeverbund Neuerkirch-Külz:

  • Standort Solar- und Heizanlage: Neuerkirch, Verbandsgemeinde Simmern im Hunsrück
  • Leistung der Holzhackschnitzel-Kessel: 1.200 kW
  • Solaranlage: 1.422 m² Hochleistungs-Vakuumröhrenkollektoren von Ritter XL Solar
  • Wärmeträgermedium: reines Wasser
  • Speicher: über 120.000 Liter bzw. 85 l/m²
  • kalkulierte Brennstoffeinsparung pro Jahr: 80.000 Liter Heizöl
  • Einspeisung in das Nahwärmenetz für ca. 140 Haushalte der Ortsgemeinden Neuerkirch und Külz
  • Netzlänge ca. 6 km
  • Betriebstemperaturen des Wärmenetzes Vorlauf/Rücklauf: Tv/Tr ca. 85/55 °C im Winter und ca. 80/60 °C im Sommer
  • Wärmepreis Gesamtsystem 10 ct/kWh (Solarthermie + Biomasse)
  • Wärmepreis Solarthermieanlage 3 ct/kWh (Aussage der Betreiberin Energieversorgung Region Simmern GmbH & Co. KG)

Die Gesamtbaukosten in Höhe von 4,25 Millionen Euro fördert das Land Rheinland-Pfalz mit 480.000 Euro; dazu kommen Bundesmittel über die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Und auch die teilnehmenden Haushalte werden finanziell unterstützt: Wer sein oder ihr Haus an das Nahwärmenetz anschließt, erhält einen einmaligen Investitionskostenzuschuss von 4.000 Euro; die jährliche Grundgebühr beträgt dann 400 Euro. Die Solaranlage steht bereits und das Wärmenetz geht im Sommer 2016 in Betrieb. Dann sind Neuerkirch und Külz wirklich “Fit für die Zukunft”!

Hier noch ein Video zu dem Projekt:

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Foto: Ritter XL Solar

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