Bene Müller / Solarcomplex: Solare Fernwärme ist konkurrenzfähig

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Solarcomplex ist unter Brancheninsidern kein Unbekannter mehr. Auch bei den Akteure der Wärmewende fiel der Name Bene Müller. So wie mit allen Akteuren, machen wir deshalb auch mit ihm ein Interview. Er ist einer der Männer hinter dem Vorzeigeprojekt Bioenergiedorf Büsingen mit einer eindrucksvollen großen Vakuumröhrenanlage. Wenige Anlagenbauer setzen so konsequent auf innovative und ganzheitliche Lösungen, deshalb holen wir heute einmal Bene Müller, den Vorstand der Solarcomplex AG vor den Vorhang.

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Herr Müller, könnten Sie uns kurz ein wenig über die Anfänge von Solarcomplex berichten?

Bene Müller von Solarcomplex: Unser Bürgerunternehmen hat ganz klein angefangen, 20 Menschen gründeten mit 37.500 Euro die solarcomplex GmbH. Anfangs haben wir sogenannte solare Bürgerdächer gebaut, also gemeinschaftliche Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden. Später kamen dann ein Wasser- und ein Windkraftwerk, zwei Biogasanlagen und sehr viele regenerative Wärmenetze hinzu. Diese stellen heute das wirtschaftliche Rückgrat von solarcomplex dar und machen mehr als die Hälfte unseres Anlagevermögens von rund 50 Mio Euro aus. Wir firmieren heute als nicht-börsennotierte AG und werden von über 1.000 Gesellschaftern getragen. Auch aktuell bieten wir wieder eine Kapitalerhöhung als ökologische Geldanlage für interessierte Bürger und Firmen an.

Sie beschäftigen sich auch mit dem Thema Nahwärmenetze und eben auch solare Fernwärme. Wie kam es dazu und was sind ihre bisherigen Erfahrungen mit solarer Fernwärme am Beispiel Büsingen?

Ursprünglich ging es bei den sogenannten Bioenergiedörfern darum, die nicht genutzte Abwärme von Biogasanlagen einer sinnvollen Verwendung zuzuführen. Im Laufe der Zeit wurde uns aber klar, daß ja das Netz selbst die entscheidende Innovation ist. Gemeinden mit Wärmenetz sind für jede regenerative Zukunft gerüstet und können flexibel die jeweils sinnvollste lokale Energie einspeisen. Sei das Bioenergie, Solarthermie, Abwärme von Biogasanlagen oder Industriebetrieben, Brennstoffzelle oder regenerativer Überschussstrom. All das kann man lokal über ein Wärmenetz verteilen. Mit dem Betrieb in Büsingen sind wir sehr zufrieden. Die Erträge liegen sogar geringfügig über der Prognose des Herstellers und wir haben keine Störungen. Deshalb haben wir den Grundsatzbeschluss getroffen, daß wir zukünftig in allen Netzen wo im Sommerhalbjahr keine Abwärme zur Verfügung steht, auf Solarkollektoren setzen. Hackschnitzel zu verbrennen, um ein wenig Warmwasser zu bereiten gibt es bei uns zukünftig nicht mehr. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Kurze Frage in eigener Sache: Für das Projekt Büsingen gab es einige Kollektorhersteller, die im Rennen waren. Warum wurden es letztendlich die Ritter Röhren?

Kurze Antwort: Weil uns das Konzept überzeugt hat und der Preis wettbewerbsfähig war.

Der Mann ist schlagfertig ;-). Dann geht’s gleich weiter ins Detail: Könnten Sie uns kurz erklären wie das Wärmecontracting bei Solarcomplex funktioniert? Wird es von den Kunden auch gerne angenommen, bzw. was fehlt auf politischer Ebene um hier einen Schritt weiterzukommen?

Wir bieten Contracting für Einzelgebäude mit einem Wärmebedarf von mindestens 50.000 kWh im Jahr, also etwa 5.000 Liter Öl an. Auf unsere Kosten wird ein regenerativer Kessel mit allen notwendigen Komponenten wie Pelletslager oder Kaminsanierung errichtet und wir liefern dann die Wärme zu vertraglich vereinbarten Preisen. Das ist ein jährlicher verbrauchsunabhängiger Grundpreis und ein Arbeitspreis, der verbrauchsabhängig mit geeichtem Wärmemengenzähler abgerechnet wird. Da wir nur die Wärme abrechnen können, die der Kunde abnimmt aber die Brennstoffmenge bezahlen, die in den Kessel geht, haben wir ein vitales Interesse an modernen, gut gewarteten Anlagen mit hohem Wirkungsgrad.  In den Bioenergiedörfern werden die Kunden über ein Netz versorgt, aber das Prinzip ist das gleiche. Wir bauen und finanzieren die Infrastruktur und verkaufen die Wärme zu vertraglich festgelegten Preisen.  Um die Ausbaudynamik der Wärmenetze beizubehalten, müssen die Rahmenbedingungen bleiben, insbesondere die spezifischen KfW-Darlehen.

Wir beschäftigen uns hier auch immer wieder mit dem Thema Wärmegestehungskosten und wissen, dass die Bandbreiten riesig sind, was der Technologie nicht unbedingt zuträglich sind. Wie hoch waren die Wärmegestehungskosten in Büsingen? Einerseits auf der Solarthermieseite und andererseits im Gesamtsystem.

Wenn wir eine Vollkostenrechnung machen, welche die Investition und die laufenden Betriebskosten enthält, dann kostet uns die erzeugte Kilowattstunde aus dem Kollektorfeld etwa 5 ct. Damit liegen wir pari zu Holzhackschnitzeln, bezogen nur auf den Brennstoff, ohne die Investition. Hackschnitzel liegen zwar im Einkauf nur bei 3 ct, aber auch der Hackschnitzelkessel hat im Sommerhalbjahr hohe Stillstandsverluste und einen sehr schlechten Wirkungsgrad, das wird oft übersehen oder aktiv verdrängt. Unter Berücksichtigung des Wirkungsgrads kommen wir dann auch auf etwa 5 ct im Sommer. Im Winter sieht es natürlich anders aus. Im ersten Schritt propagieren wir deshalb die Kollektorfelder und Speicher für den Sommerbedarf auszulegen.

Wo müssten die Wärmegestehungskosten für solare Fernwärme sein, um konkurrenzfähig zu sein?

Mit der beschriebenen Situation sind wir eigentlich konkurrenzfähig, denn die solaren Gestehungskosten bleiben die nächsten 20 Jahre gleich, wenn mal einmal die Anlage errichtet hat. Die Kosten der Hackschnitzel werden tendenziell steigen. Aus unserer Sicht ist die wirtschaftliche Ausgangslage gegeben, um jetzt breit in den Bau solar unterstützter Nahwärmenetze einzusteigen. Das hat sich nur noch nicht rumgesprochen.

Die Solarthermie befindet sich gerade im Umbruch. Wo sehen Sie die größten Chancen für die Technologie und was müsste sich ändern?

Um den Anteil solarthermischer Wärmebereitstellung deutlich zu erhöhen, sehe ich die größten Chancen tatsächlich bei großflächigen Anlagen und Einspeisung in Wärmenetze. Gegenüber kleinteiligen solarthermischen Anlagen auf Gebäuden sind die Erzeugungskosten etwa ein Faktor 4 geringer und dieser Skaleneffekt ist entscheidend. Es ist eben ein großer Unterscheid ob man 1.000 qm ebenerdig am Stück oder 100 x 10 qm auf Dächern mit Gerüst etc. baut. Mit 5 cent je Kilowattstunde können wir anders argumentieren als mit 20 cent.

Themen Flächenkonkurrenz. Sie haben im Projekt Büsingen auch ausgerechnet, dass es für die Bereitstellung solarer Wärme 60! Mal weniger Platz braucht im Vergleich zu Holz, könnten Sie das ein wenig genauer erörtern? Das klingt sehr spannend.

Der Faktor ist eher noch zu niedrig angesetzt! Auf einem Hektar Wald wachsen in Mitteleuropa im Schnitt 10 Festmeter Holz pro Jahr, bei Verbrennung in einer typischen Feuerungsanlage gewinnt man daraus rund 20.000 kWh Nutzenergie. Errichtet man auf einem Hektar Solarkollektoren mit einem Reihenabstand von 1 zu 2, dann sind das rund 3.000 qm Kollektorfläche, multipliziert mit einem konservativen Ertrag von 400 kWh je qm und Jahr sind das mindestens 1,2 Mio kWh je Hektar. Also 20.000 gegen mindestens 1,2 Mio kWh, das ist eben ein Faktor 60. Eigentlich bringen wir auf einem Hektar mehr Kollektorfläche unter und ernten mehr als die 400 kWh je qm, also Faktor 100, wenn man optimistisch rechnet. Und daran wird sich nichts ändern, die Umwandlungsrate der Photosynthese läßt sich vom Menschen nicht beeinflussen und der Wirkungsgrad der Solarkollektoren ist auch weitgehend ausgereizt. Das sind quasi Naturkonstanten.

Wie könnte man es schaffen die Wärmewende bei der Politik etwas mehr in den Vordergrund zu bringen?

In dem man die Logik der unseligen Strompreisbremse der letzten Jahre mal auf den Wärmesektor überträgt. Ein typischer Haushalt gibt nur etwa ein Fünftel seiner gesamten Energiekosten für Strom aus, aber jeweils etwa zwei Fünftel für Wärme beziehungseise Mobilität. Wo bleibt die Wärmepreisbremse? Die ist für die Menschen viel dringender.

 Und weil wir gerade in der Vorweihnachtszeit sind. Ihr Wunsch an das politische Christkind, wenn alles möglich wäre?

Mit geeigneten Maßnahmen den Emissionshandel beleben. Bei realistischen CO2-Preisen jenseits 30 Euro die Tonne werden in vielen Bereichen die richtigen, sprich klimafreundlichen Investitionsentscheidungen getroffen. Da braucht es dann die spezifischen politischen Eingriffe auf der Ebene einzelner Technologien und Marktsegmente gar nicht. Das ist die Metaebene.

Vielen, vielen Dank Herr Müller. Es ist einfach schön zu wissen, dass es da draußen bereits Menschen gibt, die wissen, wo es lang geht und die dieses Wissen auch noch in so wenigen Worten weitervermitteln können. Wir bleiben dran am Thema solare Fernwärme und werden auch noch die anderen nominierten Akteure der Wärmewende interviewen.

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