Jute Dämmung Dämmstoff

Was Ritter Schokolade mit Jute-Dämmstoffen zu tun hat

Veröffentlicht von

Wir schauen von unserem Solarthermie-Blog hin und wieder auch gerne mal über den Tellerrand auf andere Erneuerbare. Oder auf die Verwertung wertvoller Rohstoffe. Und da gibt’s Geschichten, die sind so gut, die müssen hier einfach erzählt werden! Eine davon ist die, wie aus einfachen, gebrauchten Jute-Säcken nachhaltige und hochleistungsfähige Dämmstoffe werden: Die Jutesäcke sind die Verpackung für Kakao und Kaffee. Beides braucht die Schokoladenfabrik von Ritter für ihre sportlichen Schoko-Quadrate. Einmal geleert, sind die Säcke allerdings über. Anstatt sie zu entsorgen, also stofflich abzuwerten, macht ein Nördlinger Unternehmen aus den Jutefasern nachhaltige Dämmstoffe: Jute-Dämmmatten. Lest hier, wie es dazu kam und wie die ganze Aufwertung der Kakaosäcke (Upcycling) funktioniert.

Kurt Hogh, würden Sie sich und Ihr Unternehmen Thermo Natur GmbH & Co. KG bitte kurz vorstellen!

Kurt Hogh, Geschäftsführer der Thermo Nature GmbH & Co. KG: Ich habe Wirtschaftswissenschaften/Industrial Engineering studiert und war 31 Jahre bei Ritter-Sport in verantwortlichen Positionen tätig, darunter in Produktion, Materialmanagement, Supply-Chain-Management und Wertschöpfungsmanagement. 2013 erteilte mir Alfred Ritter den Auftrag, die Firma Thermo Natur, die damals noch als Hock GmbH & Co. KG firmierte, wieder fit zu machen. Alfred Ritter mit seinen Kindern waren und sind auch heute noch die Haupt–Gesellschafter von Thermo Natur. Seit Juli 2013 trage ich für die Firma Thermo Natur die Verantwortung.

Kurth Hogh mit Jute-Dämmmatten Thermo Jute aus gebrauchten Jutesäcken - ein Upcycling der Thermo Nature GmbH & Co. KG
Unser Interview-Partner Kurth Hogh mit seinen Jute-Dämmmatten Thermo Jute aus gebrauchten Jutesäcken. Foto: Kurt Hogh, Thermo Nature GmbH & Co. KG

Die Firma Thermo Natur besteht seit  Mitte  der 1990-er Jahre und wurde von Frau Hock-Heyl als die Hock GmbH & Co. KG gegründet. Alfred Ritter trat mit seinen Kindern ab 2008 als Gesellschafter in die Firma ein. 2012 besaßen sie die Hauptanteile an der Firma und stützte somit im wesentlichen deren Fortbestand. Die Firma beschäftigte sich seit ihrer Gründung mit dem Hauptthema, aus einjährig nachwachsenden Naturfasern ( Hanf) baubiologisch-wohngesunde flexible Dämmmatten herzustellen. Damit hatte die Firma ein Produkt geschaffen, das den 100-prozentigen Gegensatz zu Mineral- und Steinwolle-Dämmung darstellt und das in punkto Wohngesundheit mit Null schadhaften Inhaltsstoffen einzigartig auf dem Dämmstoffmarkt ist! Der einzige Nachteil: Die Kosten für das Produkt waren etwa drei Mal so hoch wie die für vergleichbare Mineral- und Steinwolldämmstoffe.

Heute ist Thermo Natur mit 60 Mitarbeitern der Dämmstoff-Experte europaweit, wenn es um Dämmstoffe aus einjährig nachwachsenden Naturfasern wie Nawaros/Jute , Hanf und Sisal geht. Und das meine ich sowohl die Produktentwicklung betreffend, als auch die Herstellung. Zudem sind wir die einzige Firma, die flexible Dämmstoffe aus Jutefasern herstellt. Wir vertreiben unsere Produkte über den Baustoff-Fachhändler und in den Nachbarstaaten teilweise über Importeure.

Sie produzieren unter anderem Dämmmaterialien aus Jute. Genauer: Aus den Jute-Säcken, in denen Ritter Sport Kakao- und Kaffeebohnen angeliefert bekommt, um daraus ihre weltberühmten Schoko-Quadrate zu machen. Erzählen Sie uns doch bitte, wie es zu diesem Upcycling-Projekt kam!

Geboren wurde das Jute-Projekt schlicht aus meiner Aufgabe heraus, die Firma wieder fit zu machen. Die Wettbewerbsfähigkeit mit dem Hanfprodukt war nicht zukunftsfähig. Deshalb musste ich Alternativen und wettbewerbsfähige Strukturen entwickeln. Das Grundkonzept der Firma, leistungsfähige und zugleich wohngesunde Dämmstoffe aus Naturfasern zu gewinnen, hat mich  schnell fasziniert und mein Herzblut gewonnen. Denn hier geht es um Wahrhaftigkeit: Der Schutz der Verbraucher mit unseren Dämmstoffen ohne Schadstoffe muss erfüllt werden.

Jute-Dämmmatten aus gebrauchten Jutesäcken für Kakaobohnen
Aus den gebrauchten Jutesäcken, in denen die Kakaobohnen zur Schokoladenfabrik Ritter angeliefert werden, macht das Unternehmen Thermo Nature hochleistungsfähige Jute-Dämmmatten. Foto: Kurt Hogh/ Thermo Nature GmbH & Co. KG

Wir begannen, unterschiedliche einjährig nachwachsende Naturfasern in vielerlei Richtungen zu testen. Unser Augenmerk richteten wir auf Naturfasern, die von uns Menschen bereits seit sehr langer Zeit erfolgreich verwendet werden. Und so rückte nach dieser einfachen Methode auch die Jutefaser in unser Visier. Sie wurde intensiv getestet und letztlich erreichten wir trotz vieler Skeptiker und Barrieren, auch aus der eigenen Firma, vielversprechende Resultate. Da ich aus meiner Ritter-Zeit das Projekt Nicaragua und den rittereigenen Kakaoanbau kannte, kümmerte ich mich um die Frage, was passiert mit den Jutesäcken, in denen der Kakao nach Europa verschifft und eingelagert wird, bis die Säcke entleert und aus den Kakaobohnen Schokoladenmasse hergestellt wird?

Welche Antwort haben Sie gefunden?

Die Antwort lautete: Die Jutesäcke werden teilweise als Abfall gesehen und thermisch entsorgt. Es gibt aber auch Entsorgungskonzepte, die für mich viel interessanter waren: Der Jutesack wird in speziellen Textil-Recycling-Firmen gerissen und wieder zur Jutefaser aufbereitet. Die daran anschließenden Verwendungsmöglichkeiten, darunter Füllmaterial in der Landwirtschaft, waren für mich zwar von geringer Bedeutung … Aber damit war für mich der Ansatz  umsetzbar, eine leistungsfähige  und wettbewerbsfähige Dämmmatte auf den Markt zu bringen. Ritter Sport hat eigene Jute-Kakaosäcke und viele andere Schokoladehersteller auch! Und damit wurde letztlich das Jute-Upcycling-Projekt zur Realität!

Wir verarbeiten heute bereits etwa 1.500 Tonnen Jutefasern und sind mit dem Endprodukt und seiner Leistungsfähigkeit, die deutlich über der der Hanffaser liegt, der einzige Jute-Dämmstoffhersteller und  -Wegbereiter im Markt, der als erster einen Dämmstoff aus 100 Prozent Jutefasern entwickelt hat, herstellt und dessen Markteinführung umsetzt.

Wie lange hat es von der Idee bis zur ersten produktionsreifen Jute-Dämm-Matte gedauert?

Der Projektstart war Mitte 2013, die Bauzulassung für das erste Jute-Produkt erhielten wir Mitte 2014. Damit hatte es etwa zwölf Monate von der Idee bis zum zugelassenen und damit verkaufsfähigen Produkt gedauert. Damit testeten wir bis Anfang 2015 den Markt. Anschließend starteten wir die Produkteinführung national und international.

 

Was zeichnet Ihre Jute-Dämm-Matten aus?

Unsere THERMO JUTE Dämmstoffe punkten mit

  • Leistungsfähigkeit in allen Disziplinen,
  • garantierter Schadstofffreiheit
  • und Nachhaltigkeit.

Jute ist eine einjährig nachwachsende Pflanze, die der Umwelt während der Wachstumsphase mehr CO2 entzieht, als später bei der Herstellung der Dämmmatten freigesetzt wird. Hinzu kommt, dass die Jutefasern, die wir einsetzen, aus einmalig für den Kakaobohnen-Transport genutzten Säcken stammen. Dieses sogenannte Upcycling-Verfahren schont daher endliche Ressourcen und trägt aktiv zum Klimaschutz bei.

  • Mit einem Bemessungswert (Dämmwert/Wärmeleitfähigkeit – Anmerkung der Redaktion) von 0,038 Watt pro Meter und Kelvin (W/(mK)) ist unsere THERMO JUTE 100 extrem leistungsfähig und bietet hervorragende Wärmedämmeigenschaften. Im Sommer bleiben die Wohnräume dank der sehr guten spezifischen Wärmespeicherkapazität von 2.350 Joule pro Kilogramm und Kelvin (J/(kgK)) angenehm kühl. Zum Vergleich: Glaswolle besitzt eine spezifische Wärmespeicherkapazität von lediglich 840 bis 1.000 J/(kgK).
  • Zudem erreichen die Jutedämmmatten schon ab einer Stärke von 80 Millimetern (mm) die Schallabsorptionsklasse A und bieten daher einen sehr guten Schallschutz.
  • Jutefasern haben noch einen weiteren Vorteil: Sie sind kapillar leitfähig. Das bedeutet, dass sie in Konstruktionen feuchteausgleichend wirkenund somit zu einem angenehmen Raumklima beitragen.
  • Mit dem Einbau von Jutedämmstoffen verarbeitet der Verbraucher aber nicht nur ein leistungsstarkes, sondern auch ein wohngesundes Material, das gänzlich frei von Schadstoffen ist. Auch bei der Verarbeitung des Materials profitiert man davon: Im Gegensatz zu manch anderen Dämmstoffen ist das Material hautverträglich und unbedenklich für die Atemwege.
  • Mit der Volldeklaration der Inhaltsstoffe sagen wir genau, was in der Dämmung steckt.
  • Auch sind alle unsere Produkte natureplus-zertifiziert und damit streng geprüft.
  • Hinzu kommt, dass unsere Dämmung nach einem jahrzehntelangen Leben problemlos entsorgt werden kann: Entweder wird sie wiederverwertet oder aber einer schadstofffreien thermischen Verwertung ausgesetzt. Unser Produkt THERMO JUTE 100 Plus ist sogar kompostierbar!
Jute-Dämmmatten zur Befüllung von Gefachen aller Art
Mit den Jute-Dämmmatten lassen sich Gefache aller Art zum Dämmen füllen. Foto: Thermo Nature GmbH 6 Co. KG

Wofür sind die Jute-Produkte geeignet?

Unsere THERMO JUTE Dämmstoffe sind flexible Dämmstoffe, die überall dort, wo ein Gefach existiert, eingebaut werden können. Dies kann

  • im Dach,
  • an der Wand,
  • im Boden,
  • an der Decke,
  • bei Trennwänden,
  • als Innendämmung
  • oder bei einer vorgehängten Fassade hinter der Bekleidung

sein.

Jute-Dämmmatten zur Dachdämmung
Hier werden die Jute-Dämmmatten zur Dachdämmung eingesetzt. Foto: Thermo Nature GmbH & Co. KG

Wie steht es um die Brandschutz-Eigenschaften von Jute und was tun Sie für den Brandschutz bei Ihren Jute-Dämmmatten?

Für den Brandschutz unserer Jute-Dämmmatten verwenden wir Soda. Soda ist ein Salz, das Sie auch als Treibmittel im Backpulver kennen und das selbst in Bio-Lebensmitteln zugelassen ist. Mit der Soda-Imprägnierung erreichen wir beim Brandschutz die Baustoffklasse B2 beziehungsweise Euroklasse E. Je nach Bauteil und dessen Beplankung lassen sich damit Feuerwiderstandklassen bis F90 realisieren.

Wie kommt Jute mit Feuchtigkeit klar – braucht sie besonderen Schutz vor Schimmel?

Unsere Jutedämmung dämmt auch im durchfeuchteten Zustand ausgezeichnet. Konditioniert man das Produkt bei 23 Grad Celsius (°C) und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit, liegt die Wärmeleitfähigkeit immer noch bei hervorragenden 0,038 W/(mK). Das kann kein herkömmlicher Dämmstoff.

Bezüglich Schimmelpilz benötigt die Jute-Dämmungmatte keinen besonderen Schutz. Durch unsere Soda-Imprägnierung erreichen wir im Schimmelpilztest immer die Bewertungsstufe „0“, was so viel bedeutet wie, dass keinerlei Schimmelpilzwachstum feststellbar ist. Außerdem erhitzen wir unsere Dämmstoffe während des Herstellungsprozesses auf 170°C. Das heißt, unsere Produkte kommen keimfrei vom Band.

Und steht Jute auf der Speisekarte einheimischer Nager & Co.?

Nein. Da unsere Dämmstoffe weder Eiweiß noch Stärke enthalten, sind sie als Nahrung für Motten, andere Insekten und auch für Nager nicht verwertbar.

Wie sieht die Klimabilanz Ihrer Thermo-Jute aus?

Die Klimabilanz von THERMO JUTE ist top! Verglichen mit synthetisch hergestellten Dämmstoffen und Dämmmaterialien mineralischer Natur ist die CO2-Emission bei der Herstellung von Jutedämmstoffen verschwindend klein. Aber das ist noch nicht alles: Da die Jutefasern der Umwelt in der Wachstumsphase mehr CO2 entziehen, als später bei der Herstellung der Dämmung freigesetzt wird, gehen wir sogar mit einem „CO2-Guthaben“ in das CO2-Rennen! Herkömmliche Dämmstoffe müssen nach dem Einbau zunächst ihre „CO2-Schuld abarbeiten“, bevor sie durch ihren Dämmeinsatz tatsächlich CO2 einsparen.

Jutefasern aus gebrauchten Kakaobohnen-Säcken werden zu Jute-Dämmmatten
Ein gebrauchter Jute-Sack wird zerfasert und aus den fasern entstehen Jute-Dämmmatten. Foto: Thermo Nature GmbH & Co. KG

Jetzt wollen wir es ganz genau wissen: Wie werden aus gebrauchten Kakaobohnen-Säcken Jute-Dämmmatten?

In der Faseraufbereitung werden die sauberen Säcke, die vorher im sensiblen Lebensmittelbereich im Einsatz waren, zerrissen und so zerfasert, dass man eine feine, hochdämmende Struktur erhält. Nach der Soda-Behandlung zur Erzielung des Brandschutzes (sehe oben – Anmerkung der Redaktion) werden noch etwa 8 Prozent Stützfasern auf PET- oder PLA-Basis zugegeben, die die Stabilität des Dämmmaterials garantieren. Das ist alles. Mehr Inhaltsstoffe gibt es nicht.

Anschließend wird auf der sogenannten Krempelanlage ein textiles, vielschichtiges Vlies gelegt, kalibriert und thermisch verfestigt. Am Ende der Fertigungsstraße wird das Endlosvlies zugeschnitten und als Matten- bzw. Rollenware verpackt. Als Abfall entsteht lediglich Staub, der abgesaugt und dann thermisch verwertet wird.

Wie liefern Sie aus?

Wir liefern unsere Dämmstoffe in Form von Matten und Rollen aus. Als weiteren Service für unsere Kunden – und mit diesem Service sind wir im Übrigen der einzige Hersteller – bieten wir ab 40 Matten gleicher Breite eine Maßanfertigung an. Und das ganz ohne Mehrkosten! Das spart unseren Kunden enorm viel Zeit und damit auch Kosten auf der Baustelle.

Was kostet das Produkt?

Preislich können wir mit der flexiblen Holzfaserdämmung mithalten. Berücksichtigt man dabei wichtige Produktmerkmale wie

  • den sommerlichen Hitzeschutz,
  • die problemlose Entsorgung
  • oder die Wohngesundheit – um nur einige Beispiele zu nennen –

erhält man, verglichen mit „herkömmlichen“ Dämmstoffen, einen hohen Zusatznutzen. Kurz: Unsere Dämmstoffe sind ihren Preis wert!

Vielen Dank, lieber Kurt Hogh, dass Sie sich so viel Zeit für unser Interview genommen und uns einen tiefen Einblick in Ihre spannende Unternehmensgeschichte und Produktentwicklung gewährt haben!

Fotos: Kurt Hogh/Thermo Nature GmbH & Co. KG