Erdüberlastungsgrenze planetare Belastungsgrenze

Erdüberlastung: 6 von 9 planetaren Belastungsgrenzen sind bereits überschritten

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Über planetare Belastungsgrenzen beziehungsweise Erdsystemgrenzen haben wir hier auf dem Solarthermie-Blog bereits im Frühsommer berichtet. Jetzt legte die Wissenschaft nach. In der Fachzeitschrift “Science Advances” beschreibt die Forscher:innengruppe um Kathrine Richardson, darunter auch Johann Rockström, der das Konzept der planetaren Grenzen entwickelte und im Jahr 2009 erstmals veröffentlichte, dass inzwischen sechs von neun der quantitativ erfassten planetaren Belastungsgrenzen, innerhalb derer die Menschheit “sicher handelt”, überschritten sind. Und weil das Thema so relevant ist, stellen wir euch die aktualisierten Forschungsergebnisse hier vor.

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Neun planetare Belastungsgrenzen

Die planetaren Belastungsgrenzen sind ökologische Grenzen der Erde. Werden sie überschritten, wird das Ökosystem der Erde instabiler. Die Folge: Die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) des Planeten schwächelt.

Das Forscherteam benannte und quantifizierte neun solcher planetaren Grenzen. Dazu zählen:

  1. Klimawandel,
  2. Versauerung der Ozeane,
  3. stratosphärischer Ozonabbau,
  4. atmosphärische Aerosolbelastung,
  5. biogeochemische Kreisläufe (zum Beispiel die Mengen an Phosphor und Stickstoff, die in die Meere gelangen),
  6. der (Süß-)Wasserverbrauch,
  7. Landnutzungsänderung wie Abholzungen,
  8. die Unversehrtheit der Biosphäre (also der Verlust der Artenvielfalt beziehungsweise der Biodiversitätsverlust) und
  9. das Einbringen neuartiger Substanzen, etwa die Belastungen mit Chemikalien.

Alle neun planetaren Grenzen sind derzeit von menschliche Aktivitäten stark beeinträchtigt, ist in der Einleitung des wissenschaftlichen Beitrags in der Fachzeitschrift zu lesen.

Der Tagesschau online sagte Johann Rockström, Mit-Autor der Studie und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), dass die Wissenschaftler:innen nicht wüssten, wie lange die Menschen entscheidende Grenzen derart überschreiten könnten, bevor die Auswirkungen zu unumkehrbaren Veränderungen und Schäden führen würden.

Und die Hauptautorin der Studie, Katherine Richardson von der Universität Kopenhagen, vergleicht das Konzept der plantaren Grenzen der Tagesschau zufolge mit den Fitnesswerten eines Menschen: Bei einem Blutdruck von über 120/80 drohe laut Richardson zwar kein sofortiger Herzinfarkt – aber es gelte: Je höher der Blutdruck steige, desto höher sei auch das Risiko für den Infarkt.

Artenvielfalt mit stärkster Grenzüberschreitung

Seit der Mensch Hand an den Planeten legt, was nichts anderes heißt, als dass er ihn zu seinen Zwecken nahezu rücksichtslos verändert und ausbeutet, hat er das ursprüngliche Kräfteverhältnis  verschoben – und damit auch die natürliche Entwicklung der Erde beeinflusst.

Die abnehmende Artenvielfalt bezeugt das. Laut der Studie zu den planetaren Grenzen gibt es dort die stärkste Grenzüberschreitung. Das hat dramatische Folgen, denn die Artenvielfalt gilt als die Rückversicherung des plantaren Systems und dessen existentieller Fähigkeit, Systemstörungen auszugleichen. Das Fortschreiten des Artensterbens als Folge menschlichen Handelns  birgt deshalb ein besonders hohes Risiko für den Fortbestand des Ökosystems.

Weitere Grenzüberschreitungen machten die Forscher:innen bei der Belastung mit Düngemitteln, Klimagasen, Kunststoffen und Radioaktivität sowie beim Abholzen der Erdwälder und bei der Wassernutzung aus.

Grenze bei Chemikalien sicher überschritten

Auch wenn es für die Forschenden kompliziert ist, die Belastungsgrenzen der Erde für das Einbringen menschengemachter Stoffe (Plastik, Chemikalien, radioaktive Teilchen) in den natürlichen Stoffwechsel des planetaren Ökosystems zu bestimmen, ist der sichere Zustand der, in dem derartige Stoffe nur nach einer intensiven Risikobewertung und mit lückenloser Überwachung zum Einsatz kommen. Mit Verweis auf die Tatsache, dass in der Europäischen Union (EU) nach dem sogenannten EU-Reach-System registrierte Chemikalien zu 80 Prozent ohne Sicherheitsüberprüfung in den Markt gelangen, kommen die Forscher:innen zu dem Schluss, dass Belastungsgrenzen bei dieser Art der Umweltverschmutzung in jedem Fall überschritten werden.

Zerstörung des Ozons wirkungsvoll gebremst

Das Zerstören des Ozons in der gleichnamigen Schicht konnte mit dem sogenannten Montreal-Protokoll, das im Januar 1989 in Kraft trat, wirkungsvoll gebremst werde. Laut den Forscher:innen wird diese planetare Belastungsgrenze weltweit eingehalten. Ausnahmen: In der Antarktis und drei Monate pro Jahr auch in Australien überschreiten die regional erfassten Messwerte die Grnzen.

Das Erzeugen von Aerosol seitens der Menschen, die Tagesschau schreibt: Staub in der Atmosphäre, ist demnach auch noch im grünen Bereich. Wobei hierzu angemerkt wird, dass dieser Wert unsicher ist. Laut der Studie dürften die zughörigen Belastunsggrenzen in China und Südasien regional überschritten werden.

Auch der Wert für die Versauerung der Ozeane liegt noch unterhalb der von den Wissenschaftler:innen ausgemachten Erdüberlastungsgrenze – jedoch mit schnell zunehmender Tendenz zum Überschreiten.

Erdüberlastungsgrenzen: Es ist (noch) Zeit, zu handeln!

Die Wissenschaftler:innen hinter der Studie wollen mit eben dieser einen erneuten Weckruf an die Menschheit senden, den wir hier gerne verstärken. Denn die Menschheit gefährdet ihre Lebensgrundlage. Wichtig sei bei der Betrachtung der Erdüberlastung, keines der Erdsysteme für sich alleine zu bewerten, sondern ihre Interaktion zu berücksichtigen. Diese berge sowohl Risiken als auch Chancen.

Zum Beispiel ließe sich das Treibhausgas CO2 und damit die Erderwärmung maßgeblich reduzieren, wenn die Waldfläche der Erde wieder auf die Ausmaße gebracht würde, die sie gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts hatte.

Grafik: aus der Studie, veröffentlicht auf Science.org