Christoph Buehler erklaert Flaechenkonkurrenz bei Solarthermie

Experten-Interview: Wie vergleicht man den Solarertrag einer Solarthermie-Anlage?

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Bei der Entscheidung für oder wider eine kleine oder große Solarthermie-Anlage spielt der erwartete Solarertrag derselben eine wichtige Rolle. Doch was bedeutet die Angabe des Solarertrags einer Solarthermie-Anlage und wie ordnet man diesen ein? Wovon hängt der Solarertrag einer Solarthermie-Anlage ab und ist der vom Hersteller genannte Ertrag in der Praxis überhaupt erreichbar? Fragen über Fragen, die uns heute Christoph Bühler beantwortet. Er ist der Bereichsleiter der Großanlagensparte Ritter XL Solar im Unternehmen Ritter Energie und macht sich für transparente Ertragsangaben stark.

Christoph Bühler, es ist üblich, den Solarertrag einer Solarthermie-Anlage in Kilowattstunden (kWh) zu beziffern. Genügt diese Angabe, um zu bewerten, ob eine Technik effizient ist oder nicht?

Christoph Bühler: Der Wärmeertrag einer Solarthermie-Anlage in kWh ohne weitere Angaben ist nur bedingt aussagekräftig, um die Effizienz eines Systems zu bewerten.

Könntest du uns das bitte an einem Beispiel näher erläutern?

Sehr gerne: Angenommen ein Hersteller oder Endkunde einer solarthermischen Anlage gibt an, dass sein System je Quadratmeter (m²) und Jahr 600 kWh Wärme erzeugt.

Wir, als der Hersteller von CPC Vakuumröhrenkollektoren (VRK) Ritter Energie, könnten zu einer Anlage sagen: Wir erzeugen mit einem unserer Systeme 500 kWh je m² brutto und Jahr.

Stellt man nun beide Aussagen gegenüber, so würde ein Laie zu dem Schluss kommen: Ich entscheide mich für das System mit den 600 kWh, denn dieses liefert ja 20 Prozent mehr Ertrag.

Ergänzt man nun die Ertragsangaben dahingehend, dass

  • das erste System vielleicht in Süditalien installiert wurde, wo erheblich mehr solare Strahlung als in Deutschland zur Verfügung steht,
  • das erste System vielleicht Wasser von 10 auf 25 °C erwärmt und,
  • dass die Röhrenkollektoranlage in Ostdeutschland steht, und Fernwärmewasser von 70 auf 90°C erwärmt, dann versteht man besser, worauf ich hinaus möchte.

Würde man das erste System (vielleicht ein einfachverglastes Flachkollektorsystem) anstelle unseres CPC-Vakuumröhrenkollektor-Systems in Ostdeutschland bei 90/70°C einsetzen, dann würde nicht mal die Hälfte unseres Ertrags erzielt werden.

Die alleinige Angabe des Solarertrags einer Solarthermie-Anlage in kWh je m²a ist also keine Vergleichsgrundlage zwischen Solarsystemen. Ausschließlich dann, wenn für beide Vergleichssysteme die gleichen Betriebsbedingungen gelten, kann die kWh als alleinige Vergleichsgröße dienen.

Gilt das, was du eben für die eher private Anwendung beschrieben hast, auch für Großanlagen?

Dort gilt das ebenso: Allein die Frage, mit welchem Kollektortyp die Anlage arbeitet, gibt hier viel Aufschluss. Denn jeder Kollektortyp basiert auf einer speziellen Technologie, um solare Wärme zu erzeugen – und erzielt damit einen technologiespezifischen Ertrag. Gängige Kollektortypen sind

  • einfach verglaste Flachkollektoren,
  • Flachkollektoren mit zusätzlicher Folie,
  • 2-fach verglaste Flachkollektoren,
  • Vakuumröhrenkollektoren, die nach dem Heatpipe-Prinzip arbeiten,
  • direkt durchströmte Röhrenkollektoren,
  • Röhrenkollektoren mit Reflektoren oder ohne,
  • Systeme, die mit einem Frostschutzmittel-Wasser-Gemisch (Propylenglykol) betrieben werden,
  • und unsere Systeme, die ausschließlich mit Wasser betrieben werden.

Ein wirklicher Vergleich der Solarthermie-Anlagen beziehungsweise ihrer Erträge ist nur dann möglich und aussagekräftig, wenn man gleiche Rahmenparameter hat.

Was wären denn relevante Rahmenparameter, die man kennen sollte, um Solarerträge von Solarthermie-Anlagen vergleichen zu können?

Da gibt’s eine ganze Reihe:

  1. Standort der Anlage (also das Strahlungsangebot am Anlagenstandort)
  2. eingesetzter Kollektortyp
  3. Solar Keymark Ertrag des entsprechenden Kollektortyps
  4. Strahlungssumme im Jahr der Ertragsangabe in der Kollektorebene je m² Bezugsfläche (Wichtig: Es ist zwingend die Bezugsfläche anzugeben. Standard in Deutschland ist hierbei die Bruttokollektorfläche)
  5. Ausrichtung gen Sonne: direkt nach Süden oder gegebenenfalls mit wie viel Grad Abweichung nach Ost oder West
  6. Neigung der Kollektoren gegenüber der Horizontalen
  7. Betriebstemperaturen in der Solaranlage, im Rücklauf wie im Vorlauf. Hier sollte bestenfalls der Mittelwert für das Sommer- und das Winterhalbjahr angeben sein. Wissen sollte man auch, ob die Solarthermie-Anlage konstant mit der Solltemperatur in den Vorlauf eines Netzes einspeist (= hoher Nutzen für den Netzbetreiber), oder gegebenenfalls konsequent eine Rücklaufanhebung durchführt. Das Ziel nahezu aller Wärmenetzbetreiber ist die Reduzierung ihrer Netzrücklauftemperaturen, da diese zum einen den Nutzungsgrad von Wärmerzeugern negativ beeinflussen und zum anderen die Wärmverluste der Netzleitungen erhöhen.
  8. Wie groß ist die einfache Entfernung zwischen Kollektorfeld und Einspeisepunkt (Speicher, Netz). Es gilt: Je länger die Leitung ist, desto höher sind die Rohrleitungsverluste.
  9. Stagnationsdauer: Wenn der Speicher voll ist, geht eine Solarthermie-Anlage in Stagnation. An sich könnte die Anlage, wenn die Wärme abgenommen werden würde, noch weitere Wärme generieren. Da der Speicher aber voll ist, ist dies nicht möglich. Wenn also ein Ertrag niedriger als gewöhnlich ausfällt, kann dies hiermit sinnvoll begründet werden.

Könnte man in diesem Fall nicht einfach den Speicher vergrößern?

Mehr Speicher heißt nicht immer: mehr Nutzen. Das erkläre ich gerne bei anderer Gelegenheit einmal genauer! An dieser Stelle muss mein Beispiel genügen: Meine private Solarthermie-Anlage (20 m² Brutto auf einem Einfamilienhaus) und einem 1 m³ fassenden Speicher geht zum ersten Mal Ende März in Stagnation, zum letzten Mal im Oktober. Ich komme damit also „nur“ auf brutto 450 kWh/m² im Jahr. Würde die Wärme immer abgenommen werden, käme ich mit meiner Anlage wahrscheinlich auf brutto 550 kW/m² im Jahr. Aber, bedingt durch die häufige Stagnation, ist der Ertrag eben reduziert. Dies ist für mich trotzdem wirtschaftlicher, als mir 5 m³ Speicher in den Keller zu stellen.

Du hast eben gesagt, dass es wichtig sei, die Strahlungssumme und die Bezugsfläche der angegebenen Wärmemenge zu kennen. Inwiefern beeinflusst das denn den Solarertrag einer Solarthermie-Anlage?

Sagen wir mal: Unsere Solarthermie-Anlage hat einen Ertrag von 500 kWh/m²a.

Dann ist doch die Frage: Von welchem m² sprechen wir?

Aperturfläche in m2? Bruttokollektorfläche in m2? Je nachdem, welche der beiden Flächen gemeint ist und selbstverständlich, welcher Kollektortyp im Einsatz ist, ändert sich die Höhe des Ertrags bei den meisten Technologien um bis zu 10 Prozent, bei manchen sogar noch mehr.

Zur Strahlungssumme habe ich folgende Zahlen mitgebracht: Der Solarertrag unserer Großanlage in Senftenberg war im Jahr 2017 477 kWh/m² Brutto und Jahr, im darauffolgenden Jahr 2018 lag er bei 568 kWh/m² Brutto und Jahr. Warum der recht große Unterschied? 2018 lag die Sonneneinstrahlung um 14,4 % über dem Wert des Durchschnittsjahres, 2017 lag sie 0,6 Prozent darunter.

Was sollte man neben dem Solarertrag einer Solarthermie-Anlage noch wissen, um sie vergleichen zu können?

Gerade bei großen Anlagen mit großen Speichervolumina wäre, um die Transparenz zu steigern, wichtig, zu wissen: Was ist der Ertrag in den Speicher und was ist der nutzbare Ertrag aus dem Speicher?

Zugegeben, diese Größe ist nicht immer zu ermitteln, da manche Speicher nicht als reine Solarspeicher genutzt werden, sondern auch als Speicher für andere Wärmeerzeuger dienen. Aber solange dies möglich ist, sollte dies auch gemessen und angegeben werden. Denn: Die kWh Wärme, die in den Speicher eingespeist wird, lässt sich nicht 1:1, also verlustfrei, wieder aus dem Speicher entnehmen. Es gilt: Je länger die Verweilzeit der eingespeisten kWh Wärme im Speicher ist, desto höher fällt der Energieverlust aus.

Auch wichtig für den Solarertrag ist die Frage: Wie dicht werden Kollektoren auf einer zur Verfügung stehenden Fläche aneinandergereiht? Hier gilt: Wenn wir den Abstand größer machen, liegen wir bei etwa 2,5 Prozent Verschattungsverlusten, machen wir ihn kleiner, liegt der Verschattungsverlust schnell mal bei 6,5 Prozent.

Das heißt, hier müssen Möchte-Gern-Betreiber von Großanlagen abwägen, wie viel Fläche ihnen ein möglichst hoher Ertrag wert ist?

Wie viel Kollektorfläche auf einer gegebenen Grundfläche die wirtschaftlichste Lösung für den Kunden ist, muss stets individuell ermittelt werden. Wird selbst bei dichtester Belegung die Wärme stets vom Wärmenetz aufgenommen, ist eine maximale Ausnutzung der Grundfläche sinnvoll. Liefert die Solaranlage im Sommer zu viel Wärme im Hinblick auf den anstehenden Verbrauch, ist es sinnvoller (wirtschaftlicher), die Abstände der Kollektoren zu vergrößern und damit die Verschattungsverluste zu reduzieren.

Da sind wir schon bei den Kosten … Was ist dazu zu sagen? 

Neben dem Ertrag spielt zudem für die Wirtschaftlichkeit – wie eingangs bereits angesprochen – auch die Kostensituation eine Rolle. Wenn beide Systeme den gleichen Ertrag, aber unterschiedliche Kosten haben, ergeben sich unterschiedliche Wärmepreise.

Relevant ist hier auch die Verlässlichkeit der Technik: Bleibt der vom Hersteller angegebene Ertrag der Solarthermie-Anlage über 20 Jahre gleich?

Und, was sagst du als Experte dazu?

Jain – bei manchen Technologien bleibt er über diesen Zeitraum nahezu gleich, bei manchen ganz und gar nicht.

Wie sollte der Solarertrag einer Solarthermie-Anlage im Sinne der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit also angegeben werden?

Nicht als bloße kWh/m2, sondern unbedingt als kWh/m2 plus zusätzliche Angaben zu den oben genannten relevanten Parametern.

Als Minimalangaben zur Bewertung des Ertrags einer solarthermischen Anlage sehe ich folgende Parameter:

  • Standort der Anlage mit Angabe der Jahresstrahlungssumme in der Kollektorebene von dem Jahr, in dem der entsprechende Ertrag erzielt wurde.

Wird der Ertrag je m² Bruttokollektorfläche durch die Jahresstrahlungssumme je m² Bruttokollektorfläche geteilt, so ergibt sich der Jahresnutzungsgrad des Systems.

Effiziente Solarsysteme haben selbst bei Netztemperaturen von 90/70 °C rund ums Jahr einen Nutzungsgrad von über 40 Prozent. Das beste verfügbare Flachkollektorsystem mit einem Doppelglasgroßkollektor hat hier einen maximalen Nutzungsgrad von weniger als 25 Prozent. Standardflachkollektorsysteme (einfach verglaste Flachgroßkollektoren) kommen im System nicht über 20 Prozent.

Beispiel: Bei einer Jahresstrahlungssumme von 1.200 kWh/m²a würde unser System einen Ertrag von mehr als 480 kWh/m²a erzielen, das beste Flachkollektorsystem läge bei etwa 280 kWh/m²a, der einfachverglaste Flachgroßflächenkollektor landet bei weniger als 250 kWh/m²a, tendenziell eher 225 kWh. Alle Angaben beziehen sich auf die Bruttokollektorfläche

  • Betriebstemperaturen der Solaranlage im Vorlauf und Rücklauf im Sommer wie im Winter im Jahr, in dem der entsprechende Ertrag erzielt wurde.

Für den Endkunden empfehlen wir als Ritter Energie stets das Mittel der Ertragsgarantie. Denn, wenn der Hersteller einer Anlage von seiner Technik überzeugt ist und an seine kommunizierten Erträge glaubt, dann sollte es ihm ja wohl ein Leichtes sein, dafür auch mehrere Jahre gerade zu stehen und bei Nichterreichen entsprechende Strafzahlungen in Kauf zu nehmen. Seltsamerweise weigern sich hier viele Anwender. Wir haben diese Ertragsgarantie freiwillig in 2006 ins Leben gerufen (mit unserer ersten Großanlage Festo in Esslingen). Seitdem ist sie bei unseren Großanlagensystemen zum Standard geworden.

Foto: RItter Energie/ Ritter XL Solar