Ein Best of: Solar Heat Worldwide
Eines der ersten Programme der Internationalen Energieagentur (IEA) ging 1977 an den Start: Das Solar Heating and Cooling Programme (SHC), das sich der Erforschung, Entwicklung und Förderung Erneuerbarer Energien im Bereich Solarwärme und Solare Kühlung verschrieben hat; von Solarthermie in der Gebäudetechnik bis zur Industriellen Prozesswärme. Der regelmäßig erscheinende Jahresbericht informiert über die Ergebnisse – nur eine von vielen Publikationen des IEA-SHC.
Hoch interessant ist auch die regelmäßig erscheinende Studie Solar Heat Worldwide, die seit Anfang Juni in der Ausgabe 2013 vorliegt. Sie umfasst Daten über Solarthermie in 56 Ländern, die zusammen etwa 95 Prozent des globalen Marktes abdecken – der Anspruch “worldwide” kann also durchaus als erfüllt gelten. In diesen Ländern leben gut zwei Drittel der Weltbevölkerung, also etwa 4,3 Milliarden Menschen. Die Daten wurden durch Fragebögen erhoben, auf Plausibilität geprüft und mit anderen Publikationen abgeglichen. Ecoquent Positions stellt die interessantesten Ergebnisse und Grafiken vor – mit freundlicher Genehmigung der Kommunikationsabteilung des IEA-SHC 🙂
Weltweite Kollektorfläche größer als München
Ende 2011 war weltweit eine Leistung von 234,6 GWth (“th” für thermisch) installiert, das entspricht einer Gesamtfläche von 335,1 Millionen m² oder 335,1 km² Kollektorfläche – etwas mehr als die Fläche der Stadt München von 310 km². Über 80 Prozent davon sind in China und Europa verbaut, wie die Grafik unten zeigt, wobei China flächenmäßig Weltmeister in Solarthermie ist.
Falls Ihr Euch fragt: MENA steht für die Region Middle East and North Africa. Und noch eine interessante Fußnote enthält die Studie: Um die Leistungsfähigkeit von Solarkollektoren mit anderen (Erneuerbaren) Energieerzeugern vergleichbar zu machen, einigten sich Vertreter der Solarwirtschaft auf einen Umrechnungsfaktor von 0,7 kWth solarthermischer Leistung pro m² Kollektorfläche. Ich vertraue den Experten, dass dies für eine globale Betrachtung zuverlässige Werte liefert – allerdings hängt es im einzelnen auch vom Kollektortyp und den Standortbedingungen ab, wie viel Energie ein m² Solarkollektor tatsächlich liefert.
Kleine Wortschatzkunde der Kollektortypen
Die Studie unterscheidet zwischen unverglasten (unglazed) und verglasten (glazed) Luftkollektoren (air collectors) sowie unverglasten und verglaste Wasserkollektoren (water collectors) – zu den letzeren zählen die Flachkollektoren (flat plate collectors – FPC) und Vakuumröhrenkollektoren (evacuated tube collectors – ETC). Und wo wir schon beim Wortschatz sind: Der Oberbegriff für Solarthermische Kollektoren lautet solar thermal collectors.
Vakuumröhrenkollektoren beherrschen den Weltmarkt
Dabei sind Luftkollektoren weltweit kaum vertreten, und auch die unverglasten Kollektoren spielen eine untergeordnete Rolle – insbesondere in Europa.
Jedoch haben andere Länder unter Umständen andere Präferenzen: Das zeigt die nachfolgende Grafik. Während China ganz klar auf Vakuumröhrenkollektoren setzt, dominieren in den USA die unverglasten Wasserkollektoren. In den meisten übrigen Ländern sind Flachkollektoren vorherrschend, doch China fällt einfach am meisten ins Gewicht, sodass weltweit die Vakuumröhrenkollektoren vorherrschen.
Solarthermie-Leistung je 1.000 Einwohner
Die installierte solarthermische Leistung eines Landes muss natürlich immer auch im Zusammenhang mit der Größe des Landes und seinen Einwohnerzahlen gesehen werden. Bezieht man die Gesamtfläche der verglasten und unverglasten Wasserkollektoren auf 1.000 Einwohner, sieht das Ranking 2011 auch ganz interessant aus:
Das riesige China liegt hier nur auf Platz 9 – fast gleichauf mit dem kleinen Wüstenstaat Jordanien. Während Israel fast mit dem gleichen Wert aufwartet wie das etwas weiter nördlich gelegene Österreich. Nun könnte man hieraus eine Schlagzeile generieren wie “Österreich weltweit auf Platz 2 bei Solarthermie” – würde man den Vergleich auf die Landesfläche (bzw. die Einwohnerdichte) beziehen, könnte er aber möglicherweise schon wieder anders aussehen. Vorsicht also mit solchen Vergleichen.
Mehr als 14 Prozent Wachstum gegenüber dem Vorjahr
Für das Jahr 2011 verzeichnet die Studie einen Solarthermie-Zubau von 68,7 km² solarer Kollektorfläche, das entspricht 14,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Verteilt nach Ländern sieht das so aus:
Über 80 Prozent des Zuwachses entfallen auf Vakuumröhrenkollektoren, was vor allem dem chinesischen Markt zu verdanken ist. In Europa wurden hingegen über 80 Prozent Flachkollektoren zugebaut.
Und wie sieht es 2012 aus?
Wenn China weiterhin so zulegt, ist eine weitere Verschiebung in Richtung Vakuumröhrenkollektoren zu erwarten. Und wenn ich die Zahlen der Studie richtig interpretiere, geht die Studie wiederum von 14,3 Prozent Wachstum aus. So könnten Ende 2012 bereits 383 km² Kollektorfläche weltweit installiert sein, entsprechend
- einer Leistung von 268,1 GWth
- Jahresproduktion von 225 TWh Energie
- eine Ersparnis von 24 Millionnen Tonnen Öl
- eine Ersparnis von 73,7 Millionen Tonnen CO2
Und wofür die ganze Energie?
Interessant ist auch, wofür die solarthermische Leistung eingesetzt wird. Der weltweit größe Anwendungsbereich ist die Brauchwassererwärmung:
Zur Legende:
- Other = Sonstige wie Fernwärme, Prozesswärme, Solares Kühlen
- Solar combi systems = kombinierte Systeme für Brauchwassererwärmung und Raumheizung bei Ein- und Mehrfamilienhäusern
- Large DHW systems = große Systeme zur Brauchwassererwärmung (Mehrfamilienhäuser, Tourismus, Öffentliche Gebäude)
- DHW Systems for single family houses = Systeme zur Brauchwassererwärmung für Einfamilienhäuser
- DHW steht dabei für Domestic hot water (Brauchwarmwasser).
Wie es in den zehn führenden Ländern der Erde aussieht, zeigt uns die nachfolgende Grafik:
Offenbar setzt besonders Israel bei der Fernwärme auf Solarthermie. Insgesamt hat die Solarthermie noch Luft nach oben – nicht nur beim Heizen mit der Sonne, das gerade in nördlichen Breiten Breiten interessant ist, sondern auch beim Kühlen. Ich bin gespannt, welchen Trend die Studie nächstes Jahr aufweist – wir bleiben dran!
Quellen und Links:
- Solar Heat and Cooling Programme der Internationalen Energieagentur (IEA-SHC)
- Solar Heat World Wide 2013
- International Conference on Solar Heating and Cooling for Buildings and Industry vom 23.-25. September 2013 in Freiburg; Veranstalter: IEA-SHC und ESTIF
- AEE – Institut für Nachhaltige Technologien
Titelbild: Solar Heat Worldwide 2013: Bild 1, Übersicht der an der Studie beteiligten Länder
Grafiken: Solar Heat Worldwide 2013 (in der Reihenfolge der Verwendung im Artikel): Bilder 3, 4, 5, 13, 41, 42
Schöner, schöner und vor allem interessanter Beitrag von dir, Sabine, Danke!
Eine Frage habe ich dazu, weil ich mich gerade mal wieder mit dem Thema Wasser als Wärmeträgermedium beschäftige. Geht es da echt nur um “Wasserkollektoren”? Also hat Kühlflüssigkeit nur bei uns eine größere Bedeutung?
Danke für die Blumen, die vor allem auch dem IEA-SHC gebühren – ich habe die Studie ja “nur” gelesen 🙂
Zum einen ist es so, dass die Studie grundsätzlich zwischen Luftkollektoren und Wasserkollektoren unterscheidet. Also “flüssigkeitsbasierte Kollektoren” im Gegensatz zu Luft als Wärmeträger.
Wie Du scharf beobachtet und auch schon in Deinen bisherigen Artikeln dargestellt hast, muss man bei den flüssigen Wärmemedien aber noch unterscheiden, ob es sich um reines Wasser handelt oder ob ein Frostschutzmittel beigemischt ist – mit Nachteilen für die chemische Beständigkeit und die physikalischen Eigenschaften als Wärmeträger. Bei mit reinem Wasser betriebenen Systemen hingegen sorgt die Anlagentechnik dafür, dass die Kollektoren im Winter nicht einfrieren. Laut einem Interview, das der Energieblogger Sven Tetzlaff mit dem SolarDust-Geschäftsführer Thomas Kanig geführt hat, sind mehr als 90 % der chinesischen Anlagen so konzipiert, größere Probleme (auch in eisigeren Regionen) sind nicht bekannt.
Die Diskussion “mit oder ohne Frostschutz” ist also tatsächlich eher ein hiesiges Problem und weltweit von untergeordneter Bedeutung, nachdem China knapp 65 % Prozent der weltweit installierten Solarthermieleistung (überwiegend mit wassergeführten Röhrenkollektoren) abdeckt.
Eine wirklich schöne Zusammenfassung der alljährlichen Studie. Vielen Dank!
Kleine Erklärung zum Faktor, der die m2 Kollektorfläche in Kilowatt thermischer Leistung (kWth) umrechnet. Dieser ist vergleichbar mit den MW-Peak in der Photovoltaik – der Leistungswert unter standardisierten Bedingungen (z.B. Ausrichtung des Kollektors im rechten Winkel zur Sonneneinstrahlung). Und dieser Wert ist in der Praxis für die verschiedenen Kollektortypen sehr ähnlich.
Die Unterschiede zeigen sich dagegen in der jährlichen Energie, die mit dem Kollektor “gewonnen” werden kann. Da kommen z.B. unverglaste Absorber (üblicherweise zur Schwimmbaderwärmung) natürlich auf viel geringere Werte, als die typischen Vakuumröhren- oder Flachkollektoren.
Für die gewonnene Energie pro Jahr muss man Faktoren bzw. Annahmen hinzunehmen über die durschnittliche Globalstrahlung vorort, die verwendete Kollektor- und Systemtechnik usw.
Vielen Dank für die Erklärung!
Ahh! Danke, Sabine, gut zu wissen.
Zu Röhrenkollektoren in China: bisher dachte ich immer in China würden überwiegend Heatpipe-Vakuumröhrenkollektoren eingesetzt, deren Flüssigkeit bei niedrigen Temperaturen verdampft und über einen Kondensator an das Sammelrohr abgegeben werden. Jedenfalls lassen die Aussteller auf der Intersolar dies vermuten. Heatpipe-Kollektoren haben einen niedrigeren Wirkungsgrad als direktdurchflossene Röhrenkollektoren (Nachfrage Frauenhofer ISE, Freiburg). Zumindest in der Vergangenheit waren sie sehr schnell defekt. Wie wäre es mal mit aktuellen Informationen über die verschiedenen Vakuum-Röhrenkollektor-Systeme. Diese würden mich selbst sehr interessieren.
Danke für die Anregung, Herr Bergen – tatsächlich haben wir schon einen Artikel in Vorbereitung, bei dem es um die verschiedenen Röhrenkollektor-Arten gehen wird. Der markanteste Unterschied ist sicherlich der von Ihnen angesprochene zwischen indirekt durchflossenen so genannten Heatpipe-Kollektoren (zwei Kreisläufe) und den direkt durchflossenen. Es ist eine Frage der Anlagentechnik, wie gut die Hersteller Frostprobleme im Griff haben.