Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland

Roadmap: So geht Heizen mit Geothermie!

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Deutschland ist ein Heizungsland. Die Hälfte des Jahres ist hierzulande Heizen angesagt: von Oktober bis März. Noch heizt Deutschland Großteils fossil mit Gas, Öl und Kohle. Doch das muss ein Ende haben. Wie ihr stattdessen mit erneuerbaren Energien heizen könnt, allen voran Solarthermie, das haben wir euch auf unserem Solarthermie-Blog schon hunderte Male gezeigt. Auch erneuerbare Biomasseheizungen haben wir euch oft genug vorgestellt, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Heute stellen wir euch das Konzept Heizen mit Geothermie näher vor. Denn laut Wissenschaftlern verschiedener Institute der Fraunhofer- und der Helmholtz-Gesellschaft könnte Hitze im Erdinnern rund 25 Prozent des deutschen Wärmebedarfs decken. Deshalb haben die Wissenschaftler einen Fahrplan zu deren Nutzung aufgestellt: die “Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland.

Was Geothermie ist, könnt ihr in unserem gleichnamigen Beitrag ausführlich lesen. Deshalb ersparen wir uns an dieser Stelle eine lange Erklärung und fassen uns kurz: Geothermie ist die Erdwärme, die in der Erdkruste gespeichert ist. Dabei handelt es sich einerseits um Eigenwärme der Erde und andererseits um gespeicherte Solarwärme. Man unterscheidet:

  • oberflächennahe Geothermie
  • und tiefe Geothermie.

Der Bundesverband Geothermie definiert die sogenannte tiefe Geothermie als die Erdwärme, die sich in größeren Tiefen als 400 Meter (m) unter Geländeoberkante erschließen lasse. Die Reservoir-Typen seien hier prinzipiell die gleichen wie bei der oberflächennahen Geothermie.

Wichtiges zur Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland

Das Ziel einer Dekarbonisierung des Wärmemarktes könne
Deutschland nur über die Umstellung auf erneuerbare Energieträger erreichen, schreiben die Verfasser der Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland.

Bei konsequenter Umstellung von Kohle und Erdgas auf die weitgehend CO2-freien

  • solarthermischen,
  • biothermischen
  • oder geothermischen Quellen

würden die heutigen CO2-Emissionen auf unter 10 Prozent des heutigen Wertes fallen, ist weiter zu lesen.

Potential der tiefen Geothermie als Säule der erneuerbaren Wärmeversorgung: 25 Prozent

In urbanen Regionen komme der Geothermie dabei eine besondere Rolle zu, da man zur Nutzung dieses Energieträgers

  • weder große Flächen wie bei Windparks oder Solarparks für Solarstromerzeugung und Solarwärmeerzeugung
  • noch verstärkten Transport wie bei Biomasse benötige.

Das Potenzial von tiefer Geothermie in Deutschland sei demnach von bemerkenswerter Größe und eröffne folgende Ausbauziele: über 300 Terawattstunden (TWh) Wärme pro Jahr. Das entspreche einem Viertel (25 Prozent) des deutschen Wärmebedarfs, das sich theoretisch über tiefe geothermische Energiesysteme zuzüglich Hochtemperatur-Speicherung und Grubenwasser-Nutzung abdecken ließe.

Hinzu kämen noch die Systeme der oberflächennahen Geothermie zum Heizen und Kühlen im Neubaubereich, so dass ein Ausbauziel von etwa 500 TWh pro Jahr aus Geothermie realistisch erscheine.

Der Wärmesektor mache der Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland zufolge 56 Prozent des nationalen Energiebedarfs
aus. Nur 15 Prozent der Wärme würden bislang aus erneuerbaren Quellen stammen, der Anteil stagniere seit Jahren. Während Wasserstoff und Bioenergien zukünftig in erster Linie den Hochtemperatur-Bedarf der energieintensiven Grundstoffindustrie decken müssten, stünden für Niedertemperatur-Nutzungen unter 200 Grad Celsius (° C) vor allem

  • solarthermische
  • und geothermische

Möglichkeiten bereit.

Die Vorteile der Geothermie lägen dabei

  • in der Grundlastfähigkeit
  • und dem geringen Platzbedarf auch unter beengten städtischen Verhältnissen mit hoher Nutzungskonkurrenz.
  • Zusätzlich bietet der Untergrund ein hohes Speicherpotenzial unter anderem für Wärme.

Die Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland diskutiere laut ihren Verfassern den möglichen Beitrag der Geothermie zu diesem Transformationsprozess. Ein Schwerpunkt liege auf den hydrothermalen Reservoiren, also auf den thermalwasserführenden Gesteinen in Tiefenlagen zwischen 400 m und 5.000 m. Tiefbrunnen erschlössen geothermale Wässer mit Temperaturen zwischen 15 °C und 180 °C.

Diese seien demnach jahres- und tageszeitenunabhängig verfügbar
und ließen sich insbesondere für die Bereiche

  1. kommunale Wärmeversorgung,
  2. Fernwärme,
  3. Wohnungswirtschaft
  4. und die Bereitstellung industrieller Prozesstemperaturen nutzen.

Hydrothermale Systeme seien, wie auch andere geothermische Systeme, dabei ohne Einschränkung grundlastfähig. Die Technologie sei ausgereift und komme seit Jahrzehnten in einigen europäischen Städten zur Anwendung.

Für wen ist die Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland geschrieben?

Zum Aufbau einer tiefengeothermalen Erzeugungsinfrastruktur und zur Anbindung an kommunale Verteilungsinfrastrukturen für Wärme würden in den kommenden 10 Jahren Investitionen in Höhe von etwa 2 bis 2,5 Milliarden Euro je GW installierter Leistung aus öffentlichen und privaten Haushalten benötigt.

Damit ließen sich wettbewerbsfähige Wärmegestehungskosten von weniger als 30 Euro pro Megawattstunde (MWh) erzielen. Zur Integration der Geothermie in den Energiemix kämen auf die Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung komplexe Umsetzungsaufgaben zu. Dabei besäßen die Kommunen eine exponierte Bedeutung.

Neue Unterstützungsinstrumente für Städte und Gemeinden
müssten an verschiedenen Stellen geschaffen werden. Die Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland soll für alle Akteure die notwendigen Informationen zum geothermischen Wärmeangebot, zur Vielseitigkeit des Wärmemarktes, zur technologischen Realisierung der Wärmewende mit ihren Herausforderungen und vernetzten Handlungsoptionen bereitstellen, schreiben ihre Verfasser.

5 Empfehlungen zum Ausbau der  Geothermie als Säule erneuerbarer Wärmeversorgung Deutschlands

Zum Ausbau der Geothermie gibt die Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland 5 Empfehlungen:

  1. Die Politik müsse klare Ausbauziele formulieren und der Gesetzgeber müsse diese regulativ untersetzen. Beschleunigte Genehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung gehörten ebenso dazu wie das Überprüfen einer Anpassung von Gesetzen (etwa BBergG, WHG, BauGB, UVPG, GEG) sowie die Ausweisung von Vorzugsflächen in den Raumordnungsplänen der Länder und in den kommunalen Flächennutzungsplänen. Zugleich müssten von der Politik CO2-Vermeidungs-kosten zum Leitwerkzeug der Regulation erhoben und das Entgelt- und Umlagesystem für kommunale und industrielle Erzeuger und Betreiber nivelliert und vereinfacht werden.
  2. Kurzfristig benötige man wirksame Instrumente zur Fündigkeits-risikominderung: Wirtschaftlich seien dies finanztechnische Werkzeuge und eine spürbare Erhöhung des jährlichen Förder-volumens der “Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW)” auf deutlich über eine Milliarde Euro. Technisch gehörten dazu geophysikalische Untersuchungen in Ballungsräumen im Rahmen der geologischen Landesaufnahmen und ein Explorationsbohrpro-gramm, um das Fündigkeitsrisiko zu senken, sowie Demonstrations- und Pilotanlagen mit enger wissenschaftlicher Begleitung.
  3. Investitionen in 10-Jahres-Schlüsseltechnologien für den Ausbau im großindustriellen Maßstab von der Industrie und flankierende staatliche Förderprogramme, zum Beispiel in Bohr- und Reservoir-Technologien (inkl. Engineered Geothermal Systems), Bohrloch-pumpen, Hochtemperatur-Wärmepumpen, Entwicklung von Großwärmespeichern, der Ausbau von transkommunalen Wärme-netzen und die sektorübergreifende Systemintegration. Dabei müsse eine umfassende Digitalisierung zur Grundlage der Analyse, Planung, Integration, Steuerung und Kontrolle komplexer Energiesysteme werden.
  4. Aktivierung des hohen Wertschöpfungs- und Arbeitsmarktpotenzials von 5 bis 10 Personen je MW installierter Leistung entlang der Wertschöpfungskette von Forschung und Entwicklung, Komponentenproduktion, Verwaltung, Anlagenbau und -betrieb mit innovations- und wirtschaftsfördernden Maßnahmen. Flankierende bildungspolitische Maßnahmen (Curricula, Weiterbildungen, überbetriebliche Ausbildungszentren, Anwerberprogramme) werden zur Beseitigung von mangelnden personellen Kapazitäten benötigt.
  5. Eine breite Öffentlichkeitsarbeit müsse initiiert und politisch proaktiv begleitet werden. Die Förderung einer positiven Antizipation und Akzeptanz in der Gesellschaft erfordere insbesondere auf kommunaler Ebene eine zielgerichtete Strategie zur Interaktion mit Bürgern und Stakeholdern, die partizipative Möglichkeiten schaffe.

Grafik: Titelblatt der Roadmap tiefe Geothermie für Deutschland