Klimawandel verbleibendes CO2-Budget

Neue Studie zum CO2-Budget fürs 1,5-Grad-Klimaziel: Uns rennt die Zeit davon

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Laut einer neuen Studie könnten wir Menschen unser sogenanntes verbleibendes CO2-Budget schneller aufgebraucht haben als bisher berechnet. Für das Ziel des Klimaabkommens von Paris, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, hieße das: Uns läuft die Zeit noch schneller davon, als gedacht.

Eine Gruppe von Wissenschaftler:innen um Robin Lamboll vom Imperial College London schließt aus neuen Daten und Berechnungen, dass die Menschheit deutlich weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen darf als noch im Sechsten Weltklimabericht geschätzt. Das berichtet die Nachrichtensendung Tagesschau in ihrer Onlineausgabe. Bei weltweiten CO2-Emissionen auf dem Niveau des Jahres 2022 wäre das uns noch verbleibende CO2-Budget in etwa sechs Jahren aufgebraucht, schreiben die Wissenschaftler:innen im Fachjournal “Nature Climate Change”.

Was ist das noch verbleibende CO2-Budget?

Das verbleibende CO2-Budget (auf Englisch: “Remaining Carbon Budget”, kurz: RCB) meint die Nettomenge an CO2, die der Mensch noch emittieren kann, ohne einen bestimmten Grenzwert für die globale Erwärmung zu überschreiten. Es wird häufig herangezogen, um politische Maßnahmen anhand der Ziele des Pariser Abkommens zu bewerten. Die RCB-Schätzungen für 1,5 °C sind klein, und kleine Änderungen bei ihrer Berechnung können daher zu großen relativen Anpassungen führen, erklären die Studienautoren.

Deutlich geringere CO2-Restmenge: Was hat das für Auswirkungen?

Mit dem Klimaabkommen von Paris verpflichtete sich die Weltgemeinschaft im Jahr 2015 darauf, die Erderwärmung auf höchstens 2 Grad Celsius (sogenanntes 2-Grad-Klimaziel), wenn möglich sogar auf “nur” 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen: sogenanntes 1,5-Grad-Klimaziel von Paris.

Mit Hilfe von Computermodellen und Berechnungen schätzen Klimaforscher:innen immer wieder ab, wie viel CO2 zu einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad führt. Im Sechsten Weltklimabericht aus dem Jahr 2021 wurde diese Menge auf 494 Milliarden Tonnen (t) CO2 beziffert.

Lamboll und seine Kolleg:innen haben die verbleibenden CO2-Menge jetzt neu geschätzt: auf 247 Milliarden t CO2. Somit halbiert das neue Ergebnis die frühere Schätzung.

Wozu angemerkt werden muss, dass sich die im Sechsten Weltklimabericht genannte  Restmenge CO2 auf die Zeit ab Anfang des Jahres 2020 bezog. In ihrer neuen Studie beziehen sich Lamboll und Kolleg:innen dagegen auf die Zeit ab Anfang des laufenden Jahres 2023.

Exkurs: CO2-Budget halbiert – wie kommt’s?

Zu diesem deutlichen Unterschied zwischen den Ergebnissen früherer Schätzungen und ihrer aktuellen Schätzung komme es laut den Studienautor:innen unter anderem wegen eines neuen Computermodells, mit dem sie den von Treibhausgasen verursachten Klimawandel simulierten. Außerdem benutzten sie aktuellere Daten über tatsächliche CO2-Emissionen und über tauende Permafrostböden. Dazu muss man wissen, dass nach dem Rückgang des weltweiten CO2-Ausstoßes im Jahr 2020, dem ersten Jahr der Corona-Pandemie, die Menge der CO2-Emissionen bereits im Jahr 2022 wieder auf Vor-Corona-Niveau gelegen hat: bei rund 40 Milliarden t CO2 pro Jahr.

Sollte die Weltbevölkerung in den kommenden Jahren nicht mehr als 247 Milliarden t CO2 ausstoßen, dann beträgt der neuen Studie zufolge die Wahrscheinlichkeit 50 Prozent, dass die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad steigt.

Um das 2-Grad-Ziel einzuhalten, blieben der Menschheit bei einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozentes gemäß der Schätzung von Lamboll und Kolleg:innen noch 1.220 Milliarden t CO2-Restbudget.

KIimaschutz lohnt sich: Wir dürfen in unseren Bemühungen jetzt nicht nachlassen!

Der Tagesschau gegenüber erklärte die Klimaforscherin Tatiana Ilyina von der Universität Hamburg, dass sie die Ergebnisse der Studie ihrer Kolleg:innen um Lamboll zum noch verbleibenden CO2-Budget für seriös und belastbar hält.

Die Studie zeige ihr zufolge erneut, wie dringend es ist, dass wir den Ausstoß von Treibhausgasen senken. Ilyina sagt der Nachrichtensendung, dass wir Menschen in diesem Jahr voraussichtlich wieder die höchsten CO2-Emissionen aller Zeiten verursachen werden. Sie wisse nicht, was sie und wissnschaftliche Kolleg:innen noch tun sollen, damit die globale Politik sich wirklich beim Klimaschutz anstrengt.

Ilyina verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass es aus ihrer Sicht zwar immer weniger Klimawandelleugner:innen gibt – zugleich aber immer öfter zu hören ist, dass sich der Klimawandel sowieso nicht mehr verhindern lässt und dies als Argument herangezogen wird, um so weiterzuleben wie bislang. Dem entgegnete die Wissenschaftlerin, dass der Klimawandel aber nichts wie bisher lässt.

Zudem erklärt Niklas Höhne, Leiter des New Climate Institutes in Köln, gegenüber der Tagesschau online, dass die Ergebnisse der neuen Studie auf keinen Fall so ausgelegt werden sollten, dass die Menschheit in ihren Bemühungen um ein Senken der Treibhausgas-Emissionen nachlassen könnte. Das Gegenteil sei ihm zufolge der Fall: Selbst wenn 1,5 Grad im mehrjährigen Mittel überschritten werden, sagte Höhne, ist es gut, vorher so viele Emissionen wie möglich eingespart zu haben. Denn jede eingesparte t führt zu einer geringeren globalen Temperaturerhöhung und damit zu kleineren Schäden.

Foto: Doreen Brumme