Fraunhofer ISE Solarthermie 2050

Solarthermie 2050: Sonnige Aussichten

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Das neue Solarthermie-Jahrbuch 2020 haben wir euch hier auf dem Blog bereits vorgestellt. Es ist auch in diesem Jahr ein Buch voller Informationen rund um den Status Quo von Solarwärme in Deutschland. Außerdem enthält es die eine und andere Aussicht auf das, was Solarwärme hierzulande in Zukunft zu leisten vermag. So beschreibt ein Artikel, welchen Beitrag Solarthermie 2050 zur hiesigen Wärmeversorgung liefern könnte. Achtung Spoiler: Nach einem Rechenmodel des Fraunhofer ISE könnte der Solarthermie-Beitrag auf das 6- bis 10-fache des heutigen anwachsen. Das schauen wir uns mal genauer an.

Laut dem Verfasser des Beitrags “Sonnige Zukunft” ab Seite 132 des Jahrbuchs, Detlef Koenemann, der auch einer der drei Autoren des Jahrbuchs ist, habe das Freiburger Fraunhofer ISE ein Regenerative Energien Modell (REMod) enwickelt, um die Struktur des deutschen Energieversorgungssystem zu optimieren. Dabei sollen enegiebedingte Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) einen vorgegebenen Zielwert und/oder vorgegebenen Zielpfad nicht überschreiten. Das Optimieren gelte dabei für sämtliche Wärmeerzeuger (Generatoren), Wärmewandler (Converter) und Wärmeverbraucher (auch Speicher) und garantiere, dass die Energiebilanz des gesamten Systems zu jeder Zeit, also ab sofort bis zum Jahr 2050, erfüllt sei. Und nicht nur das: Es sollten der deutschen Volkswirtschaft sogar nur möglichst geringe Kosten entstehen.

REMod-Abbildung Solarthermie 2050
Schema des Energiesystems wie im Simulationsmodell von REMod dargestellt. Grafik: Fraunhofer ISE

Die Studie “Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem. Die deutsche Energiewende im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweisen.” hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) am 13. Februar 2020 veröffentlicht. Ihr könnt die Studie hier kostenlos downloaden.

Dazu müsse man wissen, dass das Fraunhofer ISE schon sieben Jahre zuvor mit einer Studie einen solchen Reduktionspfad aufgezeichnet habe, dessen Ziel die Reduktion der CO2-Emissionen um 80 bis 85 Prozent bis 2050 war. Die neue Studie, so schreibt Koenemann, nenne deutlich ambitioniertere Ziele: Die CO2-Emissionen sollen demnach um 95 Prozent vermindert werden. Die Wissenschaftler hätten zudem auch die Möglichkeit einer 100-prozentigen Minderung der CO2-Emissionen beschrieben.

So lässt Koenemann in seinem Artikel Philip Sterchele zu Wort kommen, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energiesystemanalyse am Fraunhofer ISE arbeitet. Ihm zufolge habe sich der Beitrag, den die Solarwärme zur künftigen Wärmeversorgung leiste, im Vergleich zu früheren Szenarien nich wesentlich geändert, aber das Spektrum an Wärmetechnologien sei ausgeweitet worden. Demnach werde Wasserstoff im Wärmebereich eine größere Rolle spielen, zum Beispiel, weil zum Erzeugen von Gebäudewärme häufiger auf Brenstoffzellen gesetzt werde.

Solarthermie 2050: 55 bis 90 Terawattstunden Solarwärme

Den neusten Erkenntnissen der Forscher des Fraunhofer ISE nach belaufe sich der Beitrag der Solarwärme im Jahr 2050 entsprechend der jeweiligen Randbedingungen auf 55 bis 90 Terawattstunden. Das entspreche einer installieren Solarthermie-Leistung von bis zu 125 Gigawatt. Diese Leistung, so schreibt Koenemann, werde benötigt, weil Solarwärme nicht nur Gebäude beheizen, sondern auch vielfältig als Prozesswärme zum Einsatz kommen werde.

Solarthermie 2050: Prozesswärme im niedrigen und mittleren Temperaturbereich

Um die künftige Wärmebereitstellung rechnerisch zu erfassen, habe das REMod drei Temperaturbereiche unterschieden:

  1. niedere Temperaturen: bis 100 Grad Celsius (° C)
  2. mittlere Temperaturen: 100 bis 500 ° C
  3. hohe Temperaturen: 500+ ° C

Solarthermie 2050 komme demnach insbesondere in den beiden ersten Bereichen zum Einsatz, also denen mit niederen und mittleren Temperaturen, wo sie beispielsweise als Prozesswärme zum Trocknen von Papier, zum Bleichen, Färben und Waschen von Textilien oder zum Pasteurisieren flüssiger Nahrungsmittel beziehungsweise Eindampfen, Kochen und Blanchieren von Nahrungsmittel dienen könne. Die chemische Industrie hebt Koenemann als Abnehmer von Solarwärme besonders hervor: Sie berge demnach ein hohes Potential, um solare Prozesswärme einzusetzen, zum Beispiel zum Kochen, Destillieren oder für bestimmte chemische Reaktionen.

Womit und wie wir unsere Gebäude künftig beheizen, das werde laut Koenemann ganz anders sein als heute. So berücksichtige das REMod zum Beheizen von Gebäuden 22 mögliche Wärmeerzeuger beziehungsweise Versorgungstechnologien. Fakt sei: Jede dieser Heiztechniken ließe sich demnach mit einer Solarthermie-Anlage ergänzen  – oder mit einem Wärmespeicher samt Heizstab (für eine Power-to-Heat-Umwandlung).

Heizland Deutschland 2050 – Solarthermie 2050

Und so sähe die Zukunft des deutschen Heizlandes konkret aus:

  • Ölheizungen liefen bis zum Jahr 2040 aus.
  • Gasheizungen spielten demnach im Jahr 2050 nur noch eine untergeordnete Rolle. Zur Erinnerung: Heute sind sie vor Ölheizungen die Nummer 1 im Heizland Deutschland).
  • Auch die Zahl der Biomasse-Heizungen werde sich verringern. Der Grund: Es stehe nur begrenzt Biomasse bereit und die komme woanders vorzugsweise zum Einsatz, zum Beispiel zur Erzeugung von Prozesswärme oder zum Umwandeln von Biokraftstoffen.
  • Strombetriebene Wärmepumpen würden in einem Energiesystem, in dem die Emissionen stark reduziert werden, zur vorherrschenden Heiztechnik, um Gebäude warm zu kriegen, so Koenemann. Ihre Zahl werde demnach  auf bis zu 14 Millionen ansteigen. Hinzu kämen noch große Wärmepumpen, wie sie zunehmend in Wärmenetzen eingesetzt würden.
  • Synthetische Kraftstoffe, erzeugt mit Hilfe erneuerbaren Stroms (Windstrom, Wasserstrom, Soolarstrom), würden gleichfalls verstärkt eingesetzt, unter anderem zur Gewährleistung von Mobilität an Land, auf dem Wasser und in der Luft) sowie zur Wärmeerzeugung.

Die Wandlung unseres Energiesystems werde laut Philip Sterchele zwar langsam aber stetig vorangehen. Das REMod berücksichtige dabei auch, wie der Wandel von gesellschaftlichen und politischen Faktoren beeinflusst werde. Aus diesem Grund unterscheide die Studie der Forscher des Fraunhofer ISE sechs Szenarien, darunter

  1. “Inakzeptanz” (Für große Infrastrukturmaßnahmen werde es keine gesellschaftliche und politische Mehrheit geben, so dass die Windenergie spürbar beschränkt werde.)
  2. “Suffizienz” (Es brauche einen starken gesellschaftlichen Willen, um den Energieverbrauch freiwillig zu senken, weniger zu konsumieren und weniger mit dem Auto unterwegs zu sein.)

Im Szenario “Beharrung” spiele Solarthermie eine große Rolle. Sie wäre das Mittel zur Defossilisierung  – dank ihr könnten zahlreiche Gaskessel noch laufen. Koenemann schreibt, dass die “Obergrenze der Bandbreite der möglichen Szenarien mit 90 Terawattstunden Solarwärme in der “Beharrung” erreicht werde.

Außerdem betrachte das REMod auch Wärmenetze, die ihre Wärme vornehmlich von KWK-Anlagen und großen Wärmepumpen bekämen, während Solarthermie ergänzend Wärme erzeuge. Solarthermie werde demnach in den Wärmenetzen eine kelienre Rolle spielen als in Einzelgebäuden.

Über alle REMod-Szenarien hinweg ergäbe sich folgende Aussicht für die Solarthermie: Etwa ein Drittel der installierten Solarwärme-Leistung werde beötigt, um Wärmenetze zu bedienen, die anderen beiden Drittel seien auf Dächern von Gebäuden installiert, die sie mit Wärme versorgten.

Foto und Grafik: Titel der Studie “Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem. Die deutsche Energiewende im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweisen” des Fraunhofer ISE